Ein Leben ohne Smartphone

Ein Leben ohne Smartphone

Ist das heute überhaupt noch möglich? Unsere Redakteurin hat es für uns probiert – und nimmt uns mit in die guten alten Zeiten ohne das Smartphone.

von Franziska Werner

Ich gehöre zur Generation Z. Ich bin aufgewachsen mit Elektronik, wenn auch noch nicht mit Smartphones im Kleinkindalter. Doch vorm Fernseher und vor der Spielkonsole habe auch ich schon früh gesessen. 

Ein Jahrzehnt später und auch die Kommunikation, die vorher noch nebeneinandersitzend mit den Gesichtern auf dem Bildschirm funktionierte, läuft nun fast vollkommen über das Internet. Hier kann man schließlich Romane schreiben oder einfach nur Emojis verschicken und einen Daumen hoch geben, wenn man nicht viel reden will.Damit zähle ich also zu der Generation, die ein Leben »ohne« nicht kennt – Ohne Internet, ohne ständige Vernetzung. Immer gibt es eine Antwort auf eine Frage. Dazu braucht es keine Eltern, die man damit nervt, nicht einmal einen Menschen. Nur den Computer. Die Maschine, die Befehle ausführt, denn dafür wurde sie vom Menschen hergestellt. Ein Mausklick und man kann seine Frage stellen, ein nächster und man bekommt die Antwort. So einfach ist das. Oder nicht?

Alles, was man braucht?

Ich habe lange Zeit etwas gegen diesen Fokus auf den Bildschirm gehabt. Anstatt miteinander über Jungs zu tratschen, saßen meine Freundin und ich, jeweils neun Jahre alt nebeneinander, die Blicke gebannt auf den Bildschirm, den Atem angehalten, den Nintendo DS in beiden Händen, bereit die ganze Energie in das Spiel zu geben. War ja auch spannend. Aber auf Dauer könnte ich das nicht machen, dachte ich.  Doch ehe man es sich versah, waren ein paar Stunden um und man hat nichts andres gemacht als »gespielt«. Wobei wir keine Rollenspiele spielten, die ich zugegeben damals auch nicht gerne spielte, und stattdessen eine Medaille nach der anderen ernteten. Nicht für einen richtigen Sprint und eigentlich war die Medaille auch nicht für uns. Meine bekam meistens Shadow.  Oder es war eben Mario, der in verschiedene Welten eintauchte und Geld sammelte. Ob wir was brauchten, wurden wir gefragt in den Pausen? Nein, wir brauchten nichts. Beim Spielen vergisst man die Außenwelt. Das Spiel bietet uns alles, was man braucht. Ja, ich wurde eigentlich früh an den Bildschirm gewöhnt

Handydetox

Heute vermeide ich Jobs, in denen man viel vorm PC hängt, weil ich mich nur darüber aufrege. Mich hat diese Unzufriedenheit, dass alles nur noch übers Internet geregelt wird zu einem Selbstexperiment geführt. Es heißt: Handydetox. Ich freute mich drauf. Es war nicht das erste Mal, dass ich diesen Versuch startete. Doch diesmal wollte ich aufs Ganze gehen. Kein Smartphone mehr. Nicht mehr griffbereit in der Hosentasche das Handy, das tausend Nachrichten speichert, die ich mir, wie in einer To-do-Liste durchlesen und beantworten musste. Nein, ich erinnerte mich an einen Spruch, der mich immer wieder motivierte: »Nur das Personal ist immer erreichbar« Also kramte ich mein altes Tastenhandy heraus, legte die Sim-Karte ein und dachte dabei, das halte ich höchstwahrscheinlich nicht durch. Nun folgte nicht nur eine Umstellung, sondern auch manch Ärger. Die einen sind nicht gewohnt SMS zu schreiben, woanders verpasst man etwas, wenn man nicht im Gruppenchat dabei ist und wieder andere zahlen für Nachrichten, die nicht übers Internet laufen. Die wenigsten telefonieren gerne, zumal die Tonqualität des Tastenhandys zu wünschen übrigließ. Doch ich hatte trotzdem meinen Spaß. So war ich gezwungen, mich kurz zu halten bei Nachrichten, wenn ich nicht eine halbe Stunde mit Tippen verschwenden wollte. Und wenn es ganz dringend war, bedeutet es eben Anrufen. Das war jedoch einer der Sachen, die ich mir sowieso gewünscht hatte, denn auf das Aufschieben einer Verabredung über WhatsApp verzichtete ich gerne.Auch E-Mails checken konnte ich auf Zuhause verschieben, was bedeutete, dass ich dies nicht zum »Zeitrumkriegen« unterwegs tat.

Eine Umstellung

Schwieriger wurde es dann bei Fahrten mit der Bahn. Normalerweise kann man heutzutage das Handy bei einer Ticketkontrolle zeigen und das reichte. Doch ich brauchte nun einen Drucker, den ich mir im möblierten Studizimmer nicht extra anschaffen wollte. Ohne Drucker, kein Ticket. Ohne Ticket, keine Reise. Da war ich also auf den Drucker in Drogeriemarkt angewiesen. Doch das Schlimmste für mich war das Unwissen, ob sich der Fernbus, wie so oft verspätete oder schon gefahren ist. In meinem Fall ist er ohne mich gefahren. Kein Handy bedeutet also an manchen Stellen eine Überraschung und an manchen mehr Aufwand. An anderen konnte ich mich aber getrost zurücklehnen und sehen, wo meine Gedanken so hinwandern. Busverbindungen suchte ich nun immer heraus, bevor ich das Haus verließ, für die Hin- und Rückfahrt.Ein riesiges Problem, was ich nicht bedacht hatte, war das Einscannen von Hausaufgaben mit dem Handy. Ich ging wohl davon aus, das auch anders machen zu können, denn handschriftliche Aufgaben mit der Laptopkamera zu fotografieren ist deutlich mehr Aufwand mit vergleichsweise schlechtem Ergebnis, das man keinem zumuten möchte. Nun ist vor allem für das Umfeld verwirrend, wenn sie sehen, dass man nun nicht mehr uneingeschränkt erreichbar ist. Bilder verschicken gehe doch am besten über Messenger Apps, ist oft das schlagende Argument.

Musik im Ohr?

Da ich gerne unterwegs Musik höre, legte ich mir schnell meinen alten MP3-Player zu. Das war schon, nachdem ich nur das Tastenhandy als Eingangsquelle unterwegs nutzte. Da lauschte ich nicht selten dem Orchesterklang im Klassikradio oder den motivierenden Radioshows des Radios, das man auf dem Handy mit Kopfhörern nutzen und sogar als Wecker einstellen konnte. Radio hören machen heutzutage auch wenige, aber für mich bedeutete es eine Erleichterung, da ich somit gar nicht zwischen einer riesigen Palette aus Songtiteln und Podcast täglich wählen musste, sondern dies guten Gewissens dem Zufall überlassen konnte. 

Das Warum

Eine Sache, die ich mir erhoffte, war den ständigen Blick nach unten zu vermeiden. Zumindest bemerke ich, dass die geduckte Haltung mit Blick auf den Bildschirm, ausgelöst durch den Gedanken, man müsse den ganzen Tag erreichbar sein, verschwand. Diese Sorge der ständigen Erreichbarkeit nicht mehr zu haben, war jedoch auch ungewohnt und ich fühlte mich schon fast wie ein Außenseiter. Meine These war, ohne das Smartphone besser gelaunt zu sein, eine bessere aufrechtere Körperhaltung zu bekommen und wieder mehr den Fokus auf das Wichtige im Leben zu bekommen. Mein Ziel war es, weniger am Handy zu sein, weniger diesen kleinen Computer alles für mich machen zu lassen und zurück in die Selbstbestimmung. Dazu brauchte es meines Erachtens nur ein Tastenhandy und eine Liste mit wichtigen Kontakten. Der Akku hielt lange, und ich habe mich fast nie mit dem Handy abgelenkt, indem ich Nachrichten durchlese und neu interpretiere. Ich habe Postkarten geschrieben. Ich habe auf Bahnhofsuhren statt auf dem Bildschirm geschaut. 

Das, was fehlt

Die Menschen um mich herum allerdings haben unterschiedlich reagiert. Manche fanden es schade um die Sprachnachrichten, andere wiederum fanden es cool, wieder andere lächerlich.Während des Selbstexperimentes habe ich beobachtet, dass es mir fehlt, Podcasts unterwegs zu hören und, dass nicht alle gerne telefonieren, dass ein Smartphone einem viel Arbeit abnimmt, denn viele Aktionen, für die es sonst extra Geräte braucht, sind nur einen Klick entfernt. Ein Foto, ein Klick, ein weiterer und es wird geteilt.Ich habe aber auch bemerkt, dass es angenehm ist, nicht alles mit der Welt zu teilen, und, dass ein Foto zu machen manchmal schöner ist als fünf. Ich habe Entscheidungen in meinem Leben getroffen, habe konzentriert gearbeitet und ich habe auf meine Außenwelt geachtet, statt sie zu ignorieren. Und doch wünsche ich mir das iPhone zurück, denn die Argumente der Einfachheit und des dazu-gehörens überwiegen. Ja, wir sind also an das Smartphone gebunden.

Doch warum mache ich dann das Ganze? Ich habe eine Menge Erfahrungen sammeln können und bevorzuge es immer noch das Tastenhandy – oder am besten gar keins. Ja, es ist möglich ohne Smartphone zu leben, aber dann benötigt man mindestens einen Drucker, einen günstigen Handyvertrag, die Bereitschaft russische Texte auf einer der Computertastatur fremden Sprache zu tippen, um so diese Hausaufgaben nicht mehr handschriftlich abgeben zu müssen und vor allem braucht es einen Sinn für Pünktlichkeit bei Abfahrten mit dem Fernbus. 

Ein Leben ohne Smartphone funktioniert. Man darf die Rechnung nur nicht ohne das innere Gewohnheitstier, den inneren Schweinehund machen und braucht eine Menge Geduld.

Beitagsbild :  Isaac SmithUnsplash

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