Lautstark: Der Sound einer Stadt – Wie klingt Regensburg?

Lautstark: Der Sound einer Stadt – Wie klingt Regensburg?

Seit einigen Wochen ist er auch in Regensburg angekommen – der Sommer. Die Regensburger Innenstadt ist wieder erfüllt von Menschen, die durch die schmalen Gassen unserer heiß geliebten Stadt schlendern und sich im Schatten in einem der vielen Cafés oder einer Bar gemütlich die Zeit genießen. Ihr Lachen und angeregte Gesprächsfetzen hallen leise von den Wänden der eng stehenden Häuser wider. Am Fußgängerübergang zur Steinernen Brücke nahe Fischmarkt brummen die Motoren der ungeduldig wartenden Autos und Busse. Ein Auto hupt, da sich ein übermütiger Radfahrer mal wieder »Fast and Furious«-mäßig durch die wartende Reihe schlängelt. Und sicherlich hört man* von irgendwoher ein leises »plopp«, gefolgt von einem »zisch« und vermutlich ebenso gefolgt von einem glücklichen Lächeln, derjenigen Person gehörend, die sich in der Sonne ein kühles Blondes gönnt (natürlich nach vier Uhr nachmittags). Ja, es könnte fast von einem Sound geredet werden. Dem sommerlichen Soundtrack Regensburgs.

von Sonja Hämmerle

Dies ist eine Thematik, mit der ich mich Anfang letzten Jahres angefangen habe zu beschäftigen. Inspiriert durch ein sehr interessantes Seminar an der Uni (aus dem Bereich der Medienwissenschaft), habe ich mich mit Künstler*innen auseinandergesetzt, die urbane Soundeindrücke in ihre musikalischen Werke verarbeiten. Natürlich gibt es unfassbar viele Songs, die den Namen einer Stadt oder einem Land tragen und in denen die Interpret*innen ihre Eindrücke, Erfahrungen oder besondere Abenteuer und Erlebnisse verarbeitet haben. Man* nehme »Vienna Calling« von Falco, Hildegard Knefs »In dieser Stadt« oder »Penny Lane« von den Beatles. »Penny Lane« ist beispielsweise eine Straße in Liverpool, John Lennon und Paul McCartney haben dort ihre Kindheit in der Gegend verbracht. Es ist spannend, wie unterschiedlich Menschen eine Stadt wahrnehmen, gerade in Form der Verarbeitung der Gefühle und Eindrücke in der Musik. Neben ihrer architektonischen Gestaltung sind für mich die Geräusche einer Stadt ein starkes Merkmal und ein wenig auch ihr (audiovisuelles) Gesicht. Ein Sound, der so flüchtig ist wie die Menschen, die dort wohnen oder auf Durchreise sind.

Je nach Tages- oder Nachtzeit (oder je nach Ort) variiert der Geräuschpegel: mal lauter, mal leiser. Ich habe eine Zeit lang in einem Wohnheim gewohnt, neben dem sich ein Gymnasium sowie ein Kindergarten befinden. Gerade im Frühling und im Sommer zu den Pausenzeiten der Einrichtungen klang es mit den vielen fröhlichen Kinderstimmen und ihrem hellen Lachen teilweise wie in einem riesigen Schwimmbad. Zurzeit wohne ich an einer Kreuzung an der Frankenstraße, deren Autolärmpegel, meiner Vorstellung nach, einer Kreuzung in New York Konkurrenz machen könnte (ich war noch nie New York und wahrscheinlich rede ich es mir mit der Vorstellung nach damit mit einem Augenzwinkern auch ein wenig schön). Sehr angenehm morgens um halb fünf, bei geöffnetem Fenster (in einer backofenheißen Dachgeschosswohnung), wenn die erste Rush Hour des Tages beginnt. Beide Sounds sind für mich mit Regensburg verwurzelt, was ich immer wieder merke, wenn ich im Garten meiner Eltern auf dem Dorf sitze und die Luft nur vom Rauschen der Bäume und leisem Vogelgezwitscher erfüllt ist, welche man* in Regensburg natürlich auch findet: ob gemütlich auf der Jahninsel im Gras liegend oder an meinem Lieblingsplatz, dem Dreifaltigkeitsberg (Hügel).

Viele der Geräusche werden nach langer Zeit des Bleibens und Wohnens nicht mehr wahrgenommen oder als störend empfunden und genau dieser Aspekt ist für mich so faszinierend. Das ist auch abhängig vom eigenen Empfinden und Gemütszustand in dem jeweiligen Moment. Die Akustik eines Platzes oder Raumes ist einzigartig. Nehmen wir das riesige Innenleben des Doms, der nun schon so viele Jahre auf dem Rücken hat. Meist gefüllt mit Stille, vielleicht leisen Schritten der Touristen und Gemurmel, Blätterrascheln. Einzig die Gottesdienste lassen Mal mehr »Geräusch« zu, wie Predigten, Konzerte und Gesang. Seine Akustik hat sich über die Jahre sicherlich nicht großartig geändert, der Innenraum wurde, wenn überhaupt, ebenso kaum verändert. Je nach Platz und Ort, den Veränderungen im architektonischen Stadtbild, hat sich der Sound dort mit den Jahren fließend »mitgeändert«. Das Geräuschbild am Haidplatz ist beispielsweise ein anderer, seitdem dort seit einigen Jahren nur noch Anwohner und Lieferverkehr fahren dürfen. Das schwere Rauschen von in Strudeln stürzendem Wasser am Wehr, abhängig vom Wasserstand, das regelmäßige »Tapp-Tapp« von den Schuhen der Läufer*innen am Kies, dazu ihr angestrengtes Atmen; das alles war während des ersten und zweiten Lockdowns unter der Corona Pandemie vermehrt zu hören und zu sehen. Überhaupt hat die Corona Pandemie den Sound der Stadt stark beeinflusst, zu sehen an weniger bis gar keinen Autos auf den Straßen, weniger Menschen in den Gassen, der zugesperrten Gastronomie und Kultur.

Eine Art der Stille hatte die Stadt ergriffen unter den Ausgangssperren wie auch untertags. Eine Stille, ausgelöst durch die angepassten Umstände, erfüllt von anderen Klängen, ja leiseren Klängen, die dafür in den Vordergrund getreten sind. Es zeigt, wie fluide das Soundbild ist, vor 150 Jahren ist es ein anderes gewesen, wie es auch in weiteren 150 sich wieder verändern wird.

Wer jetzt neugierig geworden ist und sich gerne näher mit dem Sound einer Stadt beschäftigen oder besser gesagt lauschen möchte, dem kann ich das Projekt »Sound of X« (2017) des Goethe Instituts von Singapur ans Herz legen. Diverse Künstler*innen aus Südostasien, Australien und Neuseeland haben sich in ihren Werken auf die Suche nach dem Sound einiger Städte gemacht. Darunter befindet sich der aus Singapur stammende DJ KoFlow (alias Wayne Liu). Er arbeitet vor allem mit dem Widerspruch Naturidylle und dem Lärm und dem Treiben einer Großstadt. Für ihn ist die Stadt wie eine Mitmusikerin. Eine spannende Vorstellung, die Stadt als eigene Künstlerin mit eigenen Vorstellungen und Begebenheiten zu betrachten und mit dieser dann zu arbeiten. Hört unbedingt rein.

Und vielleicht das nächste Mal, beim Einkaufen oder Freunde treffen in der Stadt, haltet inne und lauscht. Wie klingt für euch Regensburg?

Beitragsbild: © Sonja Hämmerle

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