Mov:ement: Uwe Boll – Das Regie-Bollwerk Deutschlands

Mov:ement: Uwe Boll – Das Regie-Bollwerk Deutschlands

Bekannt für beknackte Videospielverfilmungen, ausufernde Gewaltdarstellungen, Boxkämpfe gegen Kritiker und nicht zuletzt seine – gelinde gesagt – exzentrische Persönlichkeit, gilt Uwe Boll als ein Enfant terrible der Filmindustrie. Dabei liegt die Betonung hauptsächlich auf »terrible«, denn Boll wird oftmals als schlechtester Regisseur aller Zeiten betitelt. Auch wenn sein Lebenswerk genauer angesehen wird, stellt sich auf jeden Fall die Frage: Was zur Hölle ist los mit ihm?

von Elias Schäfer

An kontroversen Persönlichkeiten mangelt es Film-Deutschland keineswegs: Alleine Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog oder Christoph Schlingensief brachen in ihrer Schaffensphase mit Konventionen, schockierten, waren innovativ; nicht grundlos gelten sie vor allem in Arthouse-Kreisen als große Regisseure, die sich mit ihrem Lebenswerk durchaus schmücken können und deren Filme bahnbrechend sind. Ein Mann, der ebenso kontrovers ist, aber eher aufgrund der abgrundtief schlechten Qualität seiner Filme zum Gesprächsthema wurde, ist der 55-jährige Uwe Boll, der schon seit den frühen 90ern Filme dreht und es zuletzt sogar wagte, kurz nach dem Anschlag in Hanau die Idee zu einem Film darüber zu pitchen – natürlich mit vernichtenden Reaktionen darauf. Heute wurde bekannt, dass ihn niemand finanzieren wollte und dieses taktlose Projekt ein endgültiges Ende gefunden hat. Dabei ist Uwe Boll schon seit jeher jemand, der zwischen Extremen wandelt:

Einerseits produziert er stark exploitative Filme über ernste Themen (beispielsweise das von Kritiker*innen zerrissene »Auschwitz«, das einen fiktiven Alltag im namensgebenden Konzentrationslager nachbilden soll, oder »Darfur«, das Menschenrechtsverletzungen während des Darfur-Konflikts im Sudan behandelt und sogar als positive Ausnahme in Bolls Filmografie gilt, da es beim New York International Independent Film and Video Festival den Preis für den besten internationalen Film gewann). Auch einige Filme über Amokläufe sind bei ihm zu finden. Andererseits steht er auch thematisch für puren Trash, was seine ganzen zehn Videospielverfilmungen zeigen, die an Absurdität kaum zu überbieten sind; allen voran steht hier das 2007er »Postal«. 

Was treibt also diesen Mann seit fast 30 Jahren an, bis auf seinen 2018 angekündigten und 2020 wieder aufgehobenen Rückzug aus dem Filmgeschäft, immer und immer wieder Filme zu drehen, diese sogar finanziert zu bekommen, zu 99% der Zeit von Kritiker*innen absolut verrissen zu werden, permanente Misserfolge zu feiern und auf seinem YouTube-Kanal »Uwe Boll RAW« einfach nur einen Wutanfall nach dem nächsten zu bekommen (auf durchaus unterhaltsamem Englisch mit stark deutschem Akzent)? An sich wirkt Boll wie ein intelligenter Mann – er hat einen Doktortitel, beschäftigt sich mit politisch brisanten Themen, hat teilweise sogar ganz vernünftige Ansichten. Und dann kann, als Gegenüberstellung, sein mittlerweile geblockter Letterboxd-Account betrachtet werden, der vor Misogynie und Eier-aus-Stahl-Attitüde nur so trieft.

Sein »Disslike« Interview spricht hier auch große Bände: So bezeichnet Boll Angestellte verschiedener Videospielfirmen wie Ubisoft oder Blizzard, auf deren Werken ein Großteil seiner Filmografie basiert, als »kleine erbärmliche Würstchen«, »Spackalacken« und »kleine Vollfotzen«, vor denen er keinerlei Respekt habe. Dementsprechend nehme er Videospiele nur als Basis, um Geld zu verdienen (das würde auch das Casting Til Schweigers als Hauptrolle im »Far Cry« Film erklären). Spielt er nur eine perfekt vermarktbare Rolle als riesiges Arschloch? Leidet er an massivem Realitätsverlust? Ist er vielleicht einfach wirklich nur ein Spinner mit zu viel Zeit und Geld? Oder eine Mischung aus allem?

Das Boll Vermächtnis

Hier rangelt Boll mit Vince Desi, dem Erschaffer des Videospiels »Postal«, im gleichnamigen Film. © Boll KG

Schon als kleines Üwchen experimentierte Boll mit Kurzfilmen als Super 8- und Videoaufnahmen und ging später auf Filmhochschulen in München und Wien. Eine Passion für den Film an sich kann ihm also nicht abgesprochen werden. Irgendetwas schlummert da in ihm. Nach einer Promotion als Doktor der Philosophie 1994 in Siegen befasste er sich mit seiner eigenen Produktions- und Verleihfirma, drehte immer mal wieder relativ unbekannte Streifen, und schielte ab und zu nach Nordamerika herüber, wo er auch die meisten seiner später folgenden Filme produzieren sollte.

Erste Aufmerksamkeit für sein Schaffen bekam er für den Film »Heart of America« (2003), der die Vorgeschichte eines Amoklaufs an einer US-amerikanischen Schule beleuchtet; ein Nachtrag zu den Massakern an der Columbine High School und in Erfurt, der noch keine so vernichtenden Kritiken bekommen hat, wie es bei Boll kurz darauf zur Gewohnheit werden sollte. Im selben Jahr erschien nämlich noch der Film »House of the Dead«, der auf der gleichnamigen Spielereihe basiert, in der sich durch Horden von Zombies gemetzelt werden muss. Die Bewertung: scheiße. Ein hirnloser Action-/Horrorfilm, in dem durchweg geballert wird und dem die Indizierung durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz durchaus gut tat. 

Alles, was in den folgenden Jahren von ihm herauskam, liest sich wie eine Enumeration des Scheiterns. Sämtliche Filme zwischen 2000 und 2008 wurden durch deutsche Medienfonts finanziert, das heißt, Boll betrieb schlichtweg Steuerbetrug. Seine Verfilmungen von »Alone in the Dark«, »BloodRayne« und »Far Cry« beschädigten das Ansehen von videospielbasierten Filmen für wahrscheinlich die Ewigkeit, mehr als »Super Mario Bros.« oder mit Abstrichen »Mortal Kombat« aus den 90ern es je hätten schaffen können, und »Postal« (2007) setzte dem ganzen die Krone auf.

Ein Spiel, das eh schon total Banane ist – ein mittelloser »Postal Dude« dreht komplett frei und ballert alles um, was ihm im Weg steht, teilweise mit Waffen wie einer Schrotflinte mit Katzenaufsatz oder seinem eigenen Urin – wird auch noch von Uwe Boll verwurstet? Heraus kommt ein Plot, der sich um Trailer-Park-Trash, apokalyptische Sekten, die Taliban und Milliarden von geschmacklosen Witzen dreht. Und leider muss ich zugeben, dass der Film scheiße witzig (im wahrsten Sinne beider Wörter) ist, denn spätestens als Uwe Boll (komplett in Tracht, begleitet von einem Kleinwüchsigen, stolz verkündend, dass er seine Filme mit Nazigold finanziere) vom Produzenten des Spiels, Vince Desi, verprügelt wird, weil dieser »sein Spiel versaut« habe und dann einen Pistolenschuss direkt in den Hodensack bekommt, merken Zuschauende auch, dass sich Herr Doktor Boll doch nicht immer so ernst nimmt.

Being Uwe Boll

Uwe Boll haut Kritikern professionell aufs Maul. © YouTube

Dass er, wenn er allerdings doch ernst machen will, grandios daneben schlägt, zeigt die Boxerbiografie »Max Schmeling – Eine deutsche Legende«, die von Hamburger Millionären gesponsert wurde, um genanntem Schwergewichtsmeister ein filmisches Denkmal zu setzen. Das ist nur so suboptimal gelungen, denn der Film war stinklangweilig, obwohl sogar Henry Maske, seines Zeichens selbst einer der bekanntesten Boxer, die Titelrolle spielte. Auch wollte Boll nach der Videospielmisere aus realen Tragödien Kapital schlagen: So verfilmte er in »Stoic« den Foltermord eines Häftlings der Justizvollzugsanstalt Siegburg durch drei Haftgenossen und zeigt die Geschehnisse auf äußerst explizite Art und Weise. In »1968 Tunnel Rats« thematisiert er die Tunnelkriege während des Vietnamkriegs. Im bereits genannten »Darfur« beleuchtet Boll in einem semi-dokumentarischen Stil den Völkermord im Sudan, lässt dabei Laiendarsteller*innen ihre Traumata nachspielen – trotzdem gilt der Film als einer der besten Werke Bolls, da er zumindest hier wirklich eine in Vergessenheit geratene Tragödie wieder ins Gespräch holt und das sogar handwerklich gar nicht mal so schlecht macht. 

2009 gelingt Boll abermals ein nicht ganz so miserables Werk mit »Rampage«, einem durchaus soliden Actionfilm, der noch zur Trilogie aufschwingen sollte, in dem sich ein einzelner Mann gegen den kompletten US-amerikanischen Staat stellt und sämtliche Behörden terrorisiert. Darauf ist Boll merklich ganz besonders stolz, so zählt er diesen Film immer mit auf, wenn er danach gefragt wird, ob er überhaupt gute Filme gedreht hätte. Natürlich erschien auch zu dieser Zeit viel Käse: In »Blubberella«, einer Parodie auf seinen eigenen Film »BloodRayne: The Third Reich« (Plot: Nazis und Vampire), spielt er Adolf Hitler – mehr gibt es dazu auch einfach nicht zu schreiben. Mit »Auschwitz« leistet er sich allerdings einen eklatanten Patzer: Boll will Jugendliche an einer Hauptschule über die Zeit des Nationalsozialismus aufklären bzw. belehren und schwingt sich hier zu einem Kriegsverbrechensexperten auf, der Menschen agitieren und bereits begangene Verbrechen als Mahnung für die Zukunft aufzeigen will. Dies mündet allerdings in einer gewaltigen, exploitativen Shitshow, die rein gar nichts mit einer ernsthaften Geschichtsstunde zu tun hat, geschweige denn mit Einfühlsamkeit und Respekt vor den Opfern der Nazizeit.

Und Boll? Den juckt das gar nicht. Obwohl sogar schon eine Petition gestartet wurde, um Boll davon abzuhalten, jemals wieder im Filmgeschäft tätig zu sein, dreht er bis 2016 insgesamt über 40 Filme und gibt sich dabei extrem unversöhnlich mit Kritiker*innen sowie der ganzen Filmlandschaft. Er verklagt den Leiter der Berlinale, da dieser keinen seiner 20 eingereichten Filme auf dem Festival ausstrahlte, dafür aber immer die Sichtungsgebühr von 125 Euro kassierte, tritt online immer wieder als sprichwörtlicher Internet-Rambo auf, kann aber im Gegensatz zu ähnlich denkenden Trollen seine Worte auch in die Tat umsetzen. Schon 2006 lädt er fünf seiner schärfsten Kritiker zu Boxkämpfen gegen ihn in seiner Wahlheimat Vancouver ein, die er aufgrund seiner Boxerfahrung alle gewinnt.

So, I’ve wrote, like, if you come up here and, ähhh, you fight me, then, ähhh, I will kick the shit out of you, heh.

Uwe Boll

Auf heutige Blockbuster ist er, ganz im Stile Scorseses, ebenso nicht so gut zu sprechen. Auf seinem leider nicht mehr vorhandenen Letterboxd-Account quittiert er beispielsweise »Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 2« mit einem halben Stern von fünf und einem »What the fuck?«, »The Dark Knight« ist für ihn »Edgy for 2 year olds. Fucking garbage« und zu »Avengers: Endgame« hat er Folgendes zu sagen: »Marvel Avengers Bullshit Dirt fucking terrible in all forms, captain whitey, Tomlinson man, Iron Mans, Ant Mans, Fucking Mans, whatever woman, wonder woman, the fucking iron giant just stay home«. Natürlich bewertet er seine eigenen Filme ausnahmslos mit fünf Sternen. Ich meine, klar, warum nicht? Ist doch schön, wenn er so hinter seinen Werken stehen kann. 

Abschließend bleibt zu sagen… ach, keine Ahnung, er ist einfach zu 100% eine Vollwurst. Auf seiner Seite www.uwebollraw.com sammelt er unter dem vielsagenden Reiter »Fuck Yourself« übrigens auch sämtliche negativen Pressestimmen über ihn und posiert (ich gehe von Photoshop aus) mit einer Gruppe schwerbewaffneter Terroristen. Ich hoffe einfach nur, dass Uwe Boll diesen Artikel hier nicht liest, da ich dann sonst gegen ihn boxen müsste und dies meiner Nase absolut nicht gut täte.  

In dem Sinne (Vorsicht, stark derogative und diskriminierende Sprache, aber das sollte mittlerweile klar sein):

Beitragsbild: © Moviepilot

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