Mov:ement: »Sex« – because sex sells!

Mov:ement: »Sex« – because sex sells!

Vor allem für Singles gestaltet es sich momentan schwierig, Sexualität auszuleben und Nähe zu erfahren – wenn auch nur für eine Nacht. Denn das Motto lautet: Zuhause bleiben! Und das zurecht. Die dänische Serie »Sex« von Clara Mendes bietet diesbezüglich Realitätsflucht, vermittelt Nähe, aber auch die Wirrnisse von Gefühlen sowie Sexualität Anfang/Mitte zwanzig. 

von Anna-Lena Brunner

Die 22-jährige Cathrine (Asta Kamma August) hat von außen betrachtet das perfekte Leben. Sie wohnt in einer hippen Wohnung irgendwo in Kopenhagen, liebt ihren Freund Simon (Jonathan Bergholdt) und hat einen sinnstiftenden Job bei einer Sexualberatungsstelle. Für sie könnte es eigentlich nicht besser laufen. Allerdings schleichen sich nach und nach Probleme in ihr Leben, die die bohème Idylle etwas aus dem Gleichgewicht bringen – oder dramatisch-interessant machen, je nachdem.

Denn Cathrine hat Lust. Lust auf Sex. Und Simon nicht. Beziehungskiller Numero Uno, hier allerdings genderstereotyp vertauscht. Cathrine ist nämlich diejenige, die leidenschaftlich ist und einen stark ausgeprägten Sexualtrieb hat, nicht wie oft der männliche Part der Beziehung. 

»Sex« spielt noch weiter mit Stereotypen und Klischees und beweist so, dass Sexualität etwas Fließendes ist, das sich oft nicht auf genau so oder so festlegen lässt. Denn nicht irgendein anderer Typ verstärkt den Konfliktgrad der Beziehung zwischen Catherine und Simon, sondern eine Arbeitskollegin von Catherine. Zwischen dieser Kollegin namens Selma (Nina Terese Rask) und Catherine entspinnt sich langsam etwas, das zwischen einer knisternden Atmosphäre und einem gegenseitigen Verständnis oszilliert, das irgendwie tiefer liegt als pure Lust. Catherine verliebt sich also in Selma und vice versa. Beziehungskiller Numero Due. So nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Die short-form-Serie ist sicherlich keine Offenbarung in puncto Filmkunst. Sie ist relativ konventionell konstruiert und ordnet sich in eine Reihe von Indie-Serien ein, die alle eins gemeinsam haben: Sie erzählen von jungen, weißen Hipster*innen, die in einer Quarter-Life-Crisis stecken und eigentlich keine anderen Probleme haben, als ihren eigenen Narzissmus. 

Aber gerade zu einer Zeit, in der die Welt so erdrückend scheint wie momentan, kann diese Realitätsflucht Balsam für die Seele sein. Denn sie erinnert an eine ganz bestimmte Zeit, an laue Sommernächte, laues Bier und laue Döner. Und an ein Gefühl von Freiheit, das seit ca. einem Jahr aufgrund der aktuellen Pandemiesituation nicht mehr wirklich aufkommen mag. 

Außerdem spielt die Serie mit Sexualität und Geschlechterrollen. Zwar geht es in »Sex« viel um die namensgebende Aktivität, allerdings wird diese nie ausgeschlachtet oder um der Quote willen eingesetzt, da Mendes vermutlich nicht die Intention hatte, für eine große Zuschauermenge zu produzieren. Sex ist hier Ausdruck von Nähe, Lust, aber auch von Verzweiflung und Traurigkeit – Gefühle, die man* mit Worten nicht erfassen kann. 

»Sex« schafft Raum für einen toleranteren Umgang mit Sexualität. Für eine lockerere Sicht auf Probleme, die man* halt so mit Anfang/Mitte zwanzig hat, und die vielleicht nichts Weltbewegendes und mit etwas Abstand vielleicht gar nicht so schlimm sind. Diese sind jedoch trotzdem nicht Nichts und verdienen Aufmerksamkeit. Das Weglenken unserer Aufmerksamkeit vom aktuellen Weltgeschehen hin zu einer leichtlebigen Serie können wir, glaube ich, momentan alle ganz gut gebrauchen.

Anschauen kann man* die sechs Episoden momentan in der ARD-Mediathek.

Beitragsbild: ©ARD Degeto/Reinvent Studios Int./ARD Degeto/Reinvent Studios Int.

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