Feminis:muss: #Metoo, eine vergessene Bewegung?

Feminis:muss: #Metoo, eine vergessene Bewegung?

2017 enthüllten Jodi Kantor und Megan Twohey die Missbrauchsvorwürfe gegen Hollywood-Produzent Harvey Weinstein: ein Startschuss der #MeToo-Bewegung. Eine Rezension zu »#Metoo – von der ersten Enthüllung zur globalen Bewegung« von Jodi Kantor & Megan Twohey.

»#MeToo liest sich gleichzeitig wie ein Thriller und wie eine Anklage gegen ein System voller Fäulnis. Aber letztlich geht es um die Frauen, die in ihrem Schmerz gefesselt sind und sich weigerten, länger zu schweigen.«

von Franka Umlauf

Anfang 2017 hat die Reporterin der New York Times Jodi Kantor erstmals die Schauspielerin Rose McGowan kontaktiert und ahnte dabei noch nicht, was sie erwarten würde. McGowan hatte sich bereits öffentlich zu einem sexuellen Übergriff eines Hollywood-Produzenten geäußert. Währenddessen kursierten bereits seit längerem Gerüchte über Harvey Weinsteins zweifelhaften Umgang mit Schauspielerinnen und Angestellten seines Unternehmens. In einem Interview warnte Sängerin Courtney Love angehende Schauspielerinnen davor, sich mit Weinstein in einem Hotelzimmer zu treffen, da er dann auf seine berüchtigte Masche zurückgreifen würde. Im Jahr 2015 hatte ein italienisches Model bei der New Yorker Polizei schon Anklage diesbezüglich erhoben. Journalist*innen hatten lange Zeit versucht, Betroffene zu finden, die mit ihnen sprechen wollten –  doch ohne Erfolg. Jodi Kantor fing 2013 an, zu recherchieren über die Erfahrungen von Frauen am Arbeitsplatz. Und so gelang es ihr, verschiedene Frauen zu motivieren, die Erfahrungen mit Weinstein gemacht haben und diese auch teilen wollten.

Was sie im Verlauf ihrer Recherchen zusammen mit ihrer Kollegin Megan Twohey aufdeckte, waren nicht nur sexuelle Übergriffe, die Weinstein vorgeworfen wurden, sondern auch alle möglichen Versuche, diese Verbrechen durch sein Geld und seine Macht zu vertuschen. Ihre Berichterstattung stütze sich zunächst auf die Aussagen der Schauspielerin Ashley Judd, weitete sich dann auch noch auf weitere ehemalige Weinstein-Mitarbeiterinnen aus, die sich untereinander motivierten, ihre Erfahrungen bezüglich sexueller Gewalt mit anderen Frauen zu teilen. Ihre Recherchen wurden immer umfangreicher und sie erhielten schließlich auch den Pulitzer-Preis dafür. 

Im Nachhinein zeigten sich die Reporterinnen erschüttert von der Realität: »Zu dokumentieren, was sie erlebt hatten, zeigte uns, wie Macht funktioniert.« Für die beiden Reporterinnen waren die Recherche und die Veröffentlichung dieser Geschichten ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung am Arbeitsplatz. Sie publizierten das Buch »She Said: Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite A Movement«, indem sie erzählen, wie es war, teilweise Jahrzehnte zurückliegende Fälle aufzudecken und den betreffenden Frauen so wenigstens ein Stück Gerechtigkeit zurückzugeben.

»Der Fall Weinstein bekam eine solche Tragweite, weil wir und andere Journalistinnen und Journalisten in der Lage waren, klare und nicht mehr zu leugnenden Beweisen für Fehlverhalten zu liefern.«

Das schreiben die Autorinnen in ihrem Vorwort. Beweise werden in diesem Buch nicht zu wenig angesprochen und analysiert. Auch ist das Buch ein Lehrbuch, das zeigt, wie man* als Berichterstatter*in mit Betroffenen sexueller Übergriffe umgeht, ohne dabei alte Wunden aufzureißen, aber trotzdem journalistisch genau arbeiten zu können.

Das globale Echo von #Metoo

In den USA gibt es schon seit Jahren Gesetze gegen sexuelle Belästigung. Trotzdem bleibt die Gerechtigkeit meist aus. 

»Das Rechtssystem und die Unternehmenskulturen haben dazu beigetragen, Opfer zum Schweigen zu bringen. Sie hemmen noch immer den Wandel.«

So stellen es die Autorinnen fest. Sie wollten sich auch gesondert mit dem Wandel im gesellschaftlichen Kontext auseinandersetzten. Es besteht die Möglichkeit, dass Frauen ihre Erlebnisse irgendwann mit Menschen teilen wollen. Viele fordern dann zurecht auch eine grundlegende Veränderung.

Nachdem sie ihren ersten Artikel über Weinstein publiziert haben, teilten viele Frauen ihre Geschichten im Zusammenhang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ihnen mit – entweder online oder mit der Post. Online wurde der Hashtag #Metoo seit Oktober 2017 zu einem Symbol der Frauenbewegung, die gegen sexuelle Belästigung eintritt. Eine der Frauen, die von der Bewegung ermutigt wurde, mit dem Missbrauch, den sie erlitten hatte, in die Öffentlichkeit zu gehen, war Christine Blasey Ford, Professorin und Forschungspsychologin an der Universität Stanford. Ford berichtete, als Teenagerin von dem späteren US-Bundesrichter Brett Kavanaugh festgehalten und sexuell attackiert worden zu sein. Nach Kavanaughs Berufung an den Obersten Gerichtshof der USA, trat sie vor den Senatsausschuss für das Justizwesen. Die Anhörung stieß auf weltweites Medieninteresse. 

Ford gegen Kavanaugh

Die Darstellung ihres Schicksals bildet das letzte Drittel von Kantors und Twoheys Buch. Es ist eine vernichtende Anklage gegen die Art und Weise, wie auch die Medien dazu beitragen, dass Frauen über Missbräuche schweigen. Weinstein wird mit seinen falschen Aussagen zurückgestellt – eine bewusste Abgrenzung. In der Realität werden Frauen, die Opfer sexueller Gewalt am Arbeitsplatz wurden, oft auch nicht gehört und/oder niedergemacht, wenn sie versuchten, ihre Geschichte zu erzählen. Sowohl große TV-Sender als auch Donald Trump, der selbst sexueller Übergriffe bezichtigt wurde, bedienen sich der Möglichkeiten sozialer Medien, um Frauen wie Ford zum Schweigen zu bringen. Doch der Kampf geht weiter. Auch die Diskussion um die Frage, wie man* auf sexuelle Übergriffe reagiert und sie verhindert. Und das nicht nur in den USA oder in Europa, sondern auf der ganzen Welt. 

Beitragsbild: ©Elyssa Fahndrich | Unsplash

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