Von lachenden Kackhäufchen und pornorösen Auberginen

Von lachenden Kackhäufchen und pornorösen Auberginen

2015 verbannte Instagram das Auberginen-Emoji aus der App. Es sei zu sexistisch und würde von den meisten Nutzern mehr für den Dirty Talk als für Kochanleitungen oder Einkaufslisten verwendet werden. Auch auf die Größe käme es an: Die WhatsApp-Aubergine sei größer als die iOS-Aubergine – Missbrauch in seiner schlimmsten Form. Man nehme sich auch vor dem Wurst-Emoji in Acht – nicht dass noch jemand wegen fahrlässigem Sexismus angeklagt wird. Denn nicht jedes digital verschickte Bildchen ist wurst. Zumindest die aktiven »InstagramerInnen« unter uns können aufatmen: Laszive Bananen, pralle Maiskolben und wohlgeformte Pfirsiche bleiben. Vorerst.

von Kati Auerswald

Das Wort des Jahres – oder auch nicht 

Gleich drei Jahre hintereinander wählte das englische Lexikon »Oxford Dictionary« ein Emoji als Wort des Jahres: Das tränenlachende Emoji. 2015, 2016 und 2017. Wir sind also bereits auf dem Stand, dass Piktogramme ganze Wörter ersetzen – und sie überholen. Ist die nächste Stufe ein Emoji-Feiertag? Halt, stopp: Den gibt es ja schon; seit 2014, um genau zu sein. Wenn auch ein inoffizieller Feiertag, der dennoch ganz und gar dem Emoji gewidmet ist. Auf den 17. Juli fällt er. Warum? Weil das allgemeine Kalender-Emoji den 17. Juli abbildet – dann ist es doch klar, dass daraus ein neuer Feiertag hervor geht! Wir wollen schließlich nichts dem Zufall überlassen. Unternehmen und Marken nutzen den Feiertag, um neue Emoji-Produkte auf den Markt zu bringen. Innovative Güter wie Kackhaufen-Klobrillen, Affen-Partybrillen oder Bierkrug-Masken – Gegenstände, ohne die wir völlig aufgeschmissen wären.

Für alles ein Lexikon: Emojipedia

Zum Glück führte Jeremy Burgers vor sechs Jahren »Emojipedia« ein: Eine Online-Plattform, die ähnlich wie Wikipedia funktioniert, nur eben aus einer Art Emoji-Wörterbuch besteht. Gott segne diesen weisen Mann – wenn so etwas noch gesagt werden darf, ohne gleich als RassistIn beschimpft zu werden. Doch wie wüsste man sonst, welches Emoji was zu bedeuten hat? Ist ja nicht so, dass Emojis personalisiert sind und jeder etwas anderes in ihnen herausliest. Es gibt also ein ganzes Alphabet aus Bildern. Dann kann die Nationalhymne ja jetzt in Emojis umgeschrieben werden. So wie Britney Spears Hit »Toxic«. Aber nicht nur Songtexte, nein, ganze Geschichten können mithilfe von Emojis erzählt werden. Storytelling auf dem höchsten Niveau. Praktisch, für den, der vorhat, mit dem möglichst geringsten Aufwand eine Beziehung zu beenden. Einfach ein paar Symbole ins Handy drücken, senden, fertig.

Emojis sind kulturell bedingt

Aber woher kommen sie eigentlich – diese komischen Smileys? Von Japan aus sind sie zu uns rüber geschwappt. Deshalb sind viele kulturell bedingt und haben eine andere Bedeutung. Bestes Beispiel? Der Kackhaufen! Wann wird er verwendet? In Situationen, wo die Kacke am Dampfen ist, man sich einfach scheiße fühlt oder einem mal wieder etwas stinkt. Da ist der ursprünglich japanische Kontext ein bisschen verloren gegangen – es steht nämlich eigentlich für »Viel Glück«.

Emoji & Persönlichkeit

Ein weiterer Vorteil von Emojis: Sie sagen viel über die Persönlichkeiten anderer Menschen aus. Erspart einem die Zeit, sie kennenzulernen. Kommt ja quasi jedem zugute – wer hat heutzutage denn noch Zeit? Also sind Personen, die ausschließlich hell- oder dunkelhäutige Emojis verwenden rassistisch – logisch. Deshalb gibt es auf der Emoji-Tastatur inzwischen ja auch die afroamerikanischen Frauen und Männer. Und Männer, die keine weiblichen Emojis verwenden, laufen Gefahr, sich als frauenfeindlich zu outen. Zu SexistInnen werden sie, indem sie weibliche Emojis senden. Ganz zu schweigen von Männern, die sich in ihren Nachrichten den Regenbogen zu eigen machen. Gott behüte! Dagegen sind die dauerverliebten, Herzchen-sendenden Frauen ja noch harmlos. Die dürfen das – sind ja Frauen.

Länder-Klischees mithilfe von Emojis entschlüsseln

Weg von den Genderrollen, hin zu den länderspezifischen Aspekten. Die AmerikanerInnen wussten ja schon immer, dass die KanadierInnen gewalttätiger sind. Sonst würden die ja wohl kaum so viele Waffen-Emojis hin und herschicken. Und nicht Deutsche, nein, AustralierInnen trinken das meiste Bier – das beweist eindeutig das dort meistversendete Emoji – der Bierkrug. Und wo gibt’s die faulsten Menschen auf der Welt? Na, in Malaysia! Das weiß man, weil die Menschen dort am häufigsten das Schlaf-Emoji mit den drei »Z« hin- und herschicken – eine ganz logische Schlussfolgerung, dass die MalaysierInnen lieber schlafen, als zu arbeiten. Auch glasklar, dass es sich um das Klischee der russischen Bösewichte, dass häufig in James-Bond-Filmen verwendet wird, eigentlich ein Mythos ist und durch den Titel der »größten Romantiker« ersetzt wird. Verriet zumindest das in Russland meistverschickte Emoji: Nämlich der Kussmund.

Wenn Emojis zu Kinostars werden

2017 schafften es die SuperheldInnen auf die ganz große Kinoleinwand: Emojis – der Film. Ein Zeichen, dass sie bereits so fest in der digitalen Welt eingebunden sind, sodass ein Leben ohne sie unvorstellbar ist. Eine WhatsApp-Nachricht ohne Emojis? Absolutes No-Go! Zumindest, wenn man den anderen nicht unfreundlich oder unhöflich behandeln oder gar beleidigen möchte.

Emojis in der Wissenschaft und im Alltag

Auch wenn man Emoji-Wissenschaften noch nicht an einer Uni studieren kann – wie der Postillon 2016 verkündete – ist das Thema durchaus schon wissenschaftlich aufgearbeitet worden: Für HeimstudentInnen gibt es passende Literatur; nämlich Ratgeber über die Funktionen und Bedeutungen von Emojis. So kann sich das grundlegende Emoji-Wissen selbst angeeignet werden, bis es in der Schule der Zukunft gelehrt wird. Bücher für die Erwachsenen – Spiele für die Kinder: Die können dank Emoji-Quizrätsel, Emoji-Puzzle und Emoji- Kartenspiele spielerisch lernen. Und den Bedürfnissen der modernen Hausfrau von morgen kommen Emoji-Koch- und Backbücher entgegen. Gruselige Emoji-Clown-Kekse backen sich immerhin nicht von selbst.

Ein Grund zum Lachen oder Weinen?

Aber nicht nur die Wahl des »richtigen« Emojis spielt eine Rolle. Die Anzahl tut‘s auch. Ein Witz, der in einem Chat gefallen ist, kann ja nicht überragend gewesen sein, wenn die Empfänger darauf mit einem einzelnen Lachsmiley reagieren. Zwei lachende Smileys hingegen, steigern die Heiterkeitsskala schon. Eine Armada aus drei, fünf oder 20 unterschiedlich lachenden Smileys, kann kaum getoppt werden. Je mehr Emojis also, desto intensiver die Emotion. Das geht soweit, dass in sozialen Netzwerken wie Facebook Videos geteilt werden, die schon in der Beschreibung weinende oder lachende Smileys anzeigen. Sonst wüssten die Zuschauer ja nicht, ob das Video traurig oder lustig ist – ob sie weinen oder lachen müssen. Doch eher ein Grund zum Weinen?

Ein Nazi hat auch Gefühle

Emojis öffnen Tür und Angel zum Humor – wenn sie diese nicht komplett eintreten. Besonders für die, die gar keinen Sinn für Humor haben oder ihn nicht herauslesen können. So kann selbst der/die schlimmste RassistIn mithilfe tränenlachender Smileys Witz ausdrücken, der nicht vorhanden ist und sehr wahrscheinlich auf Kosten anderer geht. Seit diesem Jahr können zudem Personen mit niedrigem IQ mithilfe eines Gehirn-Emojis Klugheit vortäuschen. Möglicherweise sehen sie sich selbst als große DenkerInnen. Umgeben sich nur mit schlauen Menschen. Oder wollen sie fremden Personen vortäuschen, sie seien NeurologInnen? Man weiß es nicht.

Nächstes Upgrade: Trump-Emoji?

Zum Welt-Emoji-Tag 2019 wurden neue Emojis eingeführt – SuperheldInnen, Superschurken und Fantasy-Figuren wie Meerjungfrauen oder Feen. Ob der Zauberer, den man verschicken möchte, hell- oder dunkelhäutig ist, bleibt jedem natürlich selbst überlassen. Möglicherweise gibt‘s bald Angela Merkel oder Donald Trump als Emoji – doch was könnte damit ausgedrückt werden? Dass man sich als CDU-Wähler sieht, der den Rauswurf aller MexikanerInnen in Amerika befürwortet?

Die Existenz ist gesichert

Doch damit ist noch nicht genug – dafür sorgt Unicode. Der Standard, der festlegt, welche Emojis neu eingeführt werden und was sie bedeuten. Mindestens einmal im Jahr wird das Emoji-Alphabet aktualisiert und erweitert. Die Zukunft der emotionalen Smileys sieht also rosarot aus, ihre Existenz ist gesichert. ExpertInnen sind sich nicht einig, ob Emojis ein Rückgang oder Fortschritt für unsere Schrift sind. Als kulturellen Fortschritt lobend oder vor dem apokalyptischen Ende der Schriftkultur warnend: Die »Emoji-pokalypse« hat begonnen.

 

Bildquelle: unsplash, Lidya Nada

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