I took a Pill in PT

I took a Pill in PT

2003 schreibt die ZEIT von »100 Milligramm Arbeitswut«. 17 Jahre später liegen 200 Milligramm Klausurenphase vor mir. Was ursprünglich gegen Narkolepsie – einer Krankheit, bei der man plötzlich einschläft – helfen sollte, hat sich für gesunde Menschen zu einem Dopingmittel entwickelt, welches einen stundenlang lernen oder arbeiten lässt.

von Anonym

Wieso man überhaupt auf den Gedanken kommt, so etwas zu nehmen? Drogen sind auch nun wirklich nicht das erste, das einem einfällt, wenn man an seine Prüfungsphase denkt. Wenn du aber die Möglichkeit hättest, die anstrengendste Zeit im Studium zu halbieren oder vielleicht sogar in gewisser Hinsicht zu überspringen, würdest du es tun und was wärst du bereit, dafür zu zahlen? 

Der Wirkstoff, um den es hier geht, heißt Modafinil. Er befindet sich in rezeptpflichtigen Medikamenten, welche gegen Narkolepsie entwickelt wurden – eine Schlafkrankheit, die zu einer Störung im Schlaf-Wach-Rhythmus führt. Im sogenannten Off-Label-Einsatz, also Missbrauch, wurde dieses Medikament aber schnell zu einem Aufputschmittel, das den gesunden Konsumenten stundenlang wachhält und dabei noch die Fokussierung bzw. Konzentration steigern soll. Wälzt man sich ein wenig durch Studien und wissenschaftliche Artikel wird schnell klar: Es ist kein Wundermittel, aber heiß diskutiert. Beschreiben es doch viele als das NZT aus dem Film »Ohne Limit«, macht es dich nicht zum Superhelden oder zum nächsten Einstein, aber eine Steigerung kognitiver Fähigkeiten, besonders in Situationen mit Schlafentzug, konnte definitiv festgestellt werden.

Genommen setzt die Wirkung nach 30 bis 60 Minuten ein und verdammt: Ich wollte unbedingt lernen! Kroch ich in dem einem Moment noch von meinem Bett in Richtung Dusche – zu einer Uhrzeit, in der ich am Wochenende normalerweise erst schlafen gehe – stand ich auf einmal wie ein Marathonläufer in den Startlöchern. 15 Minuten später saß ich wie ferngesteuert im Bus Richtung Uni – mit nur einem Ziel: Lernen. Der Kopf ist leergefegt, die Augen hellwach und meilenweit aufgerissen. Was für ein Flash. Dieser anfängliche Rausch hat aber nach einiger Zeit an Wirkung verloren, aber immer noch merklich unbeeindruckt von Störfaktoren, hatte ich etliche Stunden durch gelernt. Einziger Zwischenfall war eine Kommilitonin, die mit mir eine Kaffeepause machen wollte und natürlich nicht wusste, dass ich mitten in einem Experiment steckte. Geknirscht hatte ich ihr zugesagt, immerhin konnte ich ihr ja nicht erzählen, dass ich am liebsten weiterlernen würde anstatt mit ihr Zeit zu verbringen. Ich müsste diese Zeit nämlich nutzen, dachte ich mir. Irgendwie beängstigend. Hätte ich davor noch alles stehen und liegen gelassen, um eine Auszeit zu bekommen, würde ich in diesem Moment meinen Lernplatz am liebsten niemals verlassen. Selbst auf der Toilette dachte ich mir: Wenn ich weniger trinke, spare ich mir den nächsten Toilettengang. Dabei fiel mir erst auf, warum ich die ganze Zeit an meiner Flasche genippt hatte – ich fürchte, eine Nebenwirkung hat sich wohl bewahrheitet: verstärktes Schwitzen. Nach und nach wurde die Wirkung weniger und leichtes Kopfweh setzte ein. Wobei das auch nicht verwunderlich ist nach dem langen konzentrierten Arbeiten. In Summe sind diese Nebenwirkungen eigentlich erträglich, wenn ich bedenke, wie viel ich geschafft hatte. Endlich zu Hause angekommen, hatte ich den Tunnel dann auch vollständig verlassen, ich hatte dann auch ehrlich gesagt wirklich keine Lust mehr zu lernen, aber nüchtern fühlte ich mich auch nicht. Eher wie eine Marionette, die sich am liebsten hinlegen würde, aber von unsichtbaren Fäden am Stehen gehalten wird. Nach 14 Stunden, einem aufgeräumten Zimmer, einer leeren To-Do-Liste und einem erfolgreichen Lerntag legte ich mich dann endlich schlafen. Die Nacht war zwar kurz und der Schlaf nicht tief, aber ich fühlte mich am nächsten Morgen nicht wirklich müde, vielleicht etwas ausgelaugt, aber trotzdem wieder fit. Wieder bereit für eine neue Tabl… Halt Stop!

Das erschreckendste an dieser Droge ist wohl, dass sie wirklich funktioniert. Im Gegensatz zu Ritalin, welches einen nicht gesellschaftsfähig macht, wäre es damit möglich, seinen Alltag ganz normal zu bestreiten, nur eben effizienter und ohne einen Funken Müdigkeit. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis und wie lange? Es ist noch nicht bekannt wie dieser Stoff in unserem Gehirn genau wirkt, vor allem nicht über einen längeren Einnahmezeitraum; dazu fehlen auch wichtige Langzeitstudien. Außerdem ist es kein Wundermittel: Jemand, der nicht vorhat zu lernen, wird dadurch nicht gezwungen; es ist bestimmt auch möglich, hoch konzentriert und wach zu prokrastinieren. Aber es zeigt, in welche Richtung es eventuell hingehen könnte. Wenn sich herausstellt, dass die Nebenwirkungen sowohl kurzfristig als auch langfristig überschaubar bleiben, wie groß ist denn dann der Unterschied zwischen dem steigenden Kaffeekonsum in der Prüfungsphase und einem Glas mit Tablette am Morgen? Wieso nicht gleich über das komplette Semester? Oder das komplette Studium?

Beängstigend, nicht?

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