Mein Lieblingsbuch | Elizabeth Gilbert: Eat, Pray, Love

Mein Lieblingsbuch | Elizabeth Gilbert: Eat, Pray, Love

Der Autor Fernando Pessoa hat einmal gesagt: »Lesen heißt durch fremde Hand träumen.« Und weil Lesen einfach schön ist, haben wir einige Lautschrift-Redakteure nach ihren Lieblingsbüchern gefragt. Denn mal ehrlich: Es gibt doch nichts Besseres, als einen lauwarmen Maiabend mit einem erfrischenden Getränk und einem guten Buch ausklingen zu lassen! Et voilà – viel Spaß beim Lesen!

Von Verena Gerbl

Selbstfindung und Glücksgefühle

Elizabeth Gilbert
Elizabeth Gilbert

Elizabeth Gilbert ist Anfang dreißig, als sie ihren Mann verlässt, in einen nervenaufreibenden Rosenkrieg zieht und sich danach völlig verzweifelt in einer Lebenskrise samt Depressionen wiederfindet. Das Buch der amerikanischen Journalistin beschreibt im Folgenden eine einjährige Reise zu sich selbst: Beginnend in Italien begibt sich Elizabeth auf die Suche nach dem „dolce vita“ und dem damit verbundenen Lebensgenuss. Die darauffolgende Meditationslehre in einem indischen Ashram soll ihr zu spiritueller Erleuchtung verhelfen. Der autobiographische Roman endet schließlich in Bali, wo sie die Balance zwischen innerem und äußerem Glück sucht und findet.

Bereits vor einiger Zeit habe ich die Verfilmung des Buches gesehen. Obwohl es nicht mein Lieblingsfilm geworden ist, haben mich einige Szenen dennoch berührt und auch fasziniert. Julia Roberts als Hauptdarstellerin sowie die besuchten Länder und Städte bereichern den Film sehr – bei Pizza, Pasta und Gelato kann man als Zuschauer einfach kaum noch widerstehen. Neben den kulinarischen Freuden weckt der Film aber auch großes Interesse, mehr über die Hauptdarstellerin »Liz« und ihre Beweggründe, ihr altes Leben in New York komplett aufzugeben, zu erfahren – welche in der Verfilmung zwar angeschnitten werden, aber dem Zuschauer nie ganz klar werden. Allgemein gesehen führte der Film von Regisseur Ryan Murphy aus dem Jahr 2010 trotz seiner Beliebtheit bei den Kinogängern jedoch zu Spaltungen in der Pressekritik. Viele Kritiker taten den Film als »Selbstfindung à la Hollywood« oder gar als »Augenschmaus ohne Seele« ab. Auch meiner Meinung nach finden sich in der Verfilmung zu viele Elemente der typischen Selbstfindungsliteratur mit zu vielen Kalender-Zitaten und ohne Tiefgang.

Die Veröffentlichung des Buches (2006) mag mittlerweile schon einige Jährchen zurückliegen und auch die Verfilmung vielen bekannt sein – dennoch verliert die Thematik noch lange nicht an Aktualität. Durch die Schilderung der fremden Länder packt einen vor allem zur jetzigen Jahreszeit geradezu die Reiselust und insbesondere beim Lesen über Bali versteht man einmal mehr das Südostasien-Fieber, das immer mehr junge Menschen hierzulande ergreift. Auch die Spiritualität, die im Buch sehr viel Raum einnimmt ist brandaktuell. Dadurch, dass der Roman eine autobiographische Erzählung ist, stellt sich selbst dem nicht-religiösen Leser niemals die Frage über Wahr oder Falsch. Bereits ganz zu Beginn ihres Romans macht die Autorin ihre offene Einstellung zu anderen Denkweisen klar und betont ihre eigene Empfindung. Ich konnte deswegen in ihrem Roman auch die Bereiche locker lesen, die nicht meinen eigenen Einstellungen entsprachen. Ebenso konnte ich über das Thema »Gott«, welches vor allem im Kapitel über Indien im Hinblick auf Selbstfindung, Meditation und Gebete eine Rolle spielt und teilweise fast schon an ein kleines Sachbuch erinnern lässt, sehr viel Neues erfahren. Beispielsweise lernt man als Leser, dass die Praktik des Yogas im Hinblick auf die hinduistische Glaubensvorstellung mehr als nur Instagram-taugliche Dehnübungen umfasst.

Julia Roberts alias Liz beim Schlemmen mit Freunden in Rom
Julia Roberts alias Liz beim Schlemmen mit Freunden in Rom

Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm, wenngleich teilweise nicht unbedingt einfach
zu lesen. An einigen Stellen im Buch merkt man, dass sich die Autorin Elizabeth Gilbert tiefgreifender mit Meditation, Gott und der Geschichte des Landes beschäftigt, was auch genauso abgedruckt ist. Die Kürze der Kapitel ist jedoch sehr angenehm, da es dem Leser so leichter fällt, dem durchaus gehaltvollen Inhalt zu folgen, zumal die Erzählung im Abschnitt über Indien recht langatmig wird. Meines Erachtens nach ist hier teilweise die innere Handlung zu tiefgreifend beschrieben, worunter die äußere Handlung leidet. Die Gefühle und spirituellen Ansichten Elizabeths werden minutiös beschrieben, aber abgesehen davon spielt sich im indischen Ashram wenig Geschehen ab. Die beiden anderen Abschnitte über Italien und Bali machen dies aber wieder wett. Im Buch gibt es viele bewegende, interessante und vor allem humorvolle Stellen. Beim Lesen konnte ich sehr gut mit Liz fühlen und auch mit ihr schmunzeln. Zudem fand ich sehr gut, dass das Scheitern ihrer Ehe zwar zentral ist und oft thematisiert wird, da sie ihren Schmerz auf der Weltreise versucht zu verarbeiten, aber die Schuldfrage stets außen vor bleibt. Auch fand ich es interessant, dass die Suche nach einer neuen Liebe im Roman nie im Mittelpunkt steht. Ganz im Gegensatz zum Film, wo die Suche nach Zweisamkeit zentral wirkt, kommt die Liebe im Buch erst im letzten Abschnitt in Bali auf, als sie sich dort – eher zögernd – verliebt. Über die ungefähr 480 Seiten hinweg kann man Liz‘ Weg und Entwicklung nachvollziehen. In meinen Augen macht auch die Andersartigkeit jeder Station – ob in Italien, Indien oder Indonesien – das Buch zu etwas Besonderem.

Julia Roberts alias Liz im Ashram
Julia Roberts alias Liz im Ashram

Als Fazit lässt sich resümieren, dass das Buch durch viele emotionale, humorvolle, interessante und bewegende Episoden sehr zum Nachdenken anregt und die Tatsache, dass Liz am Ende des Romans die Balance, das Glück und somit auch sich selbst wiedergefunden hat, macht einfach glücklich. Obwohl das Buch aufgrund seines autobiographischen Stils keinen gewöhnlichen Spannungsaufbau, wie er in anderen Romanen zu finden ist, aufweist, büßt es dennoch nie an Spannung ein. Der charismatische, bildreiche und gar poetische Schreibstil Gilberts mit einigen Zitaten und auch selbstverfassten Gedichten lädt auch ohne Spannungs-Pointe zum Weiterlesen ein. Ohnehin fühlt man als Leser viel zu sehr mit den Veränderungen und Fortschritten Liz‘ mit, als dass man das Buch beiseitelegen könnte. Da Elizabeth Gilbert aus einer weiblichen Sicht heraus erzählt, stößt der Roman möglicherweise bevorzugt auf weibliche Begeisterung.

Grundsätzlich ist die Weltreise der Erzählerin, die dem Zweck dienen soll, sich selbst zu finden und die Seele zu regenerieren, ein interessantes Thema und im Gegensatz zum Film ist der Roman mehr als nur eine „Liebesgeschichte“ und absolut nicht kitschig oder glatt. Ich kann mir gut vorstellen, »Eat, Pray, Love« ein weiteres Mal zu lesen, was in meinem Fall nicht sehr häufig vorkommt. Das Buch kann ich also nur wärmstens als schöne Sommerabend-Lektüre mit viel emotionalem Nachklang empfehlen!

 

 

 

 

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