Wie viel Sicherheit braucht die Freiheit? // Ein Austausch zur zweiten Überarbeitung des PAG mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an der Uni Regensburg

Wie viel Sicherheit braucht die Freiheit? // Ein Austausch zur zweiten Überarbeitung des PAG mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an der Uni Regensburg

In jüngster Vergangenheit wurde viel darüber diskutiert, inwieweit die inzwischen zweite Überarbeitung des Polizeiaufgabengesetzes, das am 25.05.2018 in Kraft getreten ist, die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Bayern einschränkt. Diese aktuelle Diskussion nahm die Thomas-Dehler-Stiftung in Kooperation mit der Liberalen Hochschulgruppe Regensburg zum Anlass, Experten vom Fach zu einem Austausch in das Vielberthgebäude der Universität Regensburg einzuladen. Trotz des schönen Wetters kamen Interessenten – wenn auch in überschaubarer Anzahl.

Neben Prof. Dr. Gerrit Manssen vom Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Regensburg und Jürgen Mistol von den Grünen, der als Mitglied des Innenausschusses die Diskussion im bayerischen Landtag mit verfolgte, war auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Gast, die die Diskussion mit einem kurzen Vortrag begann. Sie stellte zuerst fest, dass das PAG »mehr als nur ein Gesetzestext« sei, gegen das 30.000 Demonstranten friedlich protestierten, weswegen sie auch »eine sachliche Auseinandersetzung« für notwendig hält, denn das sei schließlich der »Satz der Demokratie«. Dies wird vor allem an der Wendung der drohenden Gefahr, die vorliegt, »wenn die Polizei aufgrund von Tatsachen nachweisen kann, dass erhebliche Angriffe auf Leib, Leben, Gesundheit oder die persönliche Freiheit zu erwarten sind« (Quelle: Bayerisches Staatsministerium des Innern – FAQ Polizeiaufgabengesetz), deutlich. Die Polizei braucht demnach keine konkreten Hinweise, um jemanden in Gewahrsam zu nehmen, selbst wenn er unschuldig ist. Das sieht nicht nur die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger kritisch. Die Definition sei sehr schwammig und würde eine Richterentscheidung schwierig machen, so Mistol.

Die Diskutanten waren sich schon zu Beginn an einig, dass es am Gesetz auch gute Seiten gebe. Keiner sprach von einem durchaus schlechten PAG, jedoch müssten die Formulierungen deutlicher, klarer werden. Über das doch so große Interesse an der Veranstaltung freuten sich die Veranstalter sehr, denn schließlich ist jeder davon betroffen.

Die Diskussion selbst befasste sich hauptsächlich mit rechtlichen Fragen. Professor Manssen stellte fest, dass die Tätigkeit der Polizei sich auf den Schutz und das Eingreifen bei Straftaten, beispielsweise um den Terrorismus vorzubeugen, konzentriert. Seine Kritik an der Neuauflage des Gesetzes  die präventive Haft, da ein Häftling eigentlich für immer ohne Grund in Haft bleiben könne. Deswegen sei es wichtig, dass, »je länger ein Häftling sitzt, umso besser muss die vom Haftrichter und der Polizei vorgelegte Begründung sein«. Leutheusser-Schnarrenberger schloss sich dem an und sprach hierbei von einem  »persönlichen Freiheitsentzug«. Der Rechtsschutz sei dadurch massiv geschwächt. Heiß diskutiert wurde im Folgenden die Rolle der Pflichtverteidiger und des Richtervorentscheides.

Ein Gast stellte die Frage, ob es überhaupt eine praktische Anwendung der neuen Richtlinien gäbe. Leutheusser-Schnarrenberger, die seit September 2014 Mitglied des Vorstandes der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist, stellte zuerst klar, dass Sicherheit nicht nach oben hin gedeckelt sei. Den Idealtypus einer hundertprozentigen Sicherheit gäbe es demnach nicht. Das Gesetz könnte laut ihr bei Demonstrationen in unübersichtlichem Gelände zum Einsatz kommen, wobei offen bleibt, was dies genau bedeuten soll. Mistol schloss sich dem an und sprach von einem Vorgaukeln von Sicherheit. Zudem leide beispielsweise durch das Ausspionieren privater E-Mails (§ 44 PAG), was nach der Ex-Justizministerin ein Interessenskonflikt zwischen dem Gesetz und der Datensicherheit und eine deutliche »Grenzüberschreitung« bedeutet, das Verhältnis von Bürgern und der Polizei.

Mistol betonte den Scheincharakter des Gesetzes. Bayern hat nachweislich eine niedrige Kriminalitätsrate, was eine Verschärfung des Gesetzes nicht unbedingt sinnvoll erscheinen lässt. Es erscheint als »Ersatzhandlung« der Politik,  die vom Versagen der Politik in anderen Sicherheitsbereichen ablenkt.. Als Beispiel bringt er den NSU-Skandal oder die Reichsbürger. Zudem lenke es von der Ausstattung der Polizei und dem Personalmangel ab. Demnach sollte man sich die Frage stellen, was die CSU damit erreichen möchte und ob das Durchpeitschen des Gesetzes nicht ein Wahlkampfthema sei. Manssen sieht das PAG nicht unbedingt als plakatives Thema, da das seiner Meinung nach ein »kommunikatives Desaster« sei und viele es nicht verstehen. Die Grünen würden laut Mistol eigene Themen in den Vordergrund des Landtagswahlen-Wahlkampfs stellen, jedoch würden sie wie Frau Leutheusser-Schnarrenberger eine Klage einreichen – laut Manssen ist eine Prognose über den Erfolg einer Klage vor dem Bundesgerichtshof aufgrund des zerstrittenen Senats nicht möglich. Man mag also gespannt sein, wie die Diskussion über dieses Gesetz weitergeht und wie erfolgreich eine potentielle Klage sein wird.

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