„Niemand wartet drei Jahre auf einen Referendariatsplatz!“

„Niemand wartet drei Jahre auf einen Referendariatsplatz!“

Fünf Jahre Studium und ein Staatsexamen für… nichts? Geht es nach Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), dann soll das Referendariat für bayerische Lehramtsstudierende bald zulassungsbeschränkt sein. Christiane Fuchs, Lehramtsreferentin des Regensburger AStA 2014/15, hält dieses Vorhaben für fragwürdig.

chrisLautschrift: Noch in dieser Legislaturperiode möchte der Kultusminister das Lehramtsstudium in Bayern umstrukturieren. Worum geht es dabei?

Fuchs: Spaenle hat angedroht, die Zulassung zum Referendariat für Lehramtsstudierende demnächst zu beschränken beziehungsweise auszusetzen. Studierende hätten dann nach dem ersten Staatsexamen nicht mehr automatisch einen Anspruch auf einen Referendariatsplatz, sondern müssten bis zu drei Jahre darauf warten. Diese Drohung ist nicht neu, die gibt es schon seit Juni 2014, aber jetzt scheint die Landesregierung ernst zu machen.

Und warum ist das ein Problem?

Dass in Bayern momentan jeder Anspruch auf einen Referendariatsplatz hat, hängt auch damit zusammen, dass das erste Staatsexamen kein berufsqualifizierender Abschluss ist.

In einem Bachelor/Master-System, wie es das in anderen Bundesländern bereits gibt, habe ich nach dem Bachelor eine abgeschlossene Berufsausbildung. Hier in Bayern ist das nur der Fall, wenn ich mein Lehramtsstudium mit dem Referendariat beende. Das wäre mit der neuen Regelung aber nicht mehr in einer angemessenen Zeit möglich: Nach fünf oder sechs Jahren Studium wartet niemand noch drei Jahre auf einen Referendariatsplatz! Und wer sich in der Zwischenzeit einen anderen Job sucht, kehrt anschließend wahrscheinlich nicht mehr in den Schuldienst zurück.

Gibt es nicht sowieso viel zu viele Lehrkräfte in Bayern?

Das glaube ich nicht. Im Gegenteil, es wäre ein Ausbau von Planstellen nötig, um zum Beispiel eine Ganztagsbetreuung zu ermöglichen. Außerdem könnte man sich überlegen, ob man die Klassenstärken reduziert oder, wie das in manchen Schulformen bereits üblich ist, zwei Lehrkräfte pro Klasse einsetzt. Das würde eine deutlich bessere individuelle Förderung der Schüler gewährleisten.

Hinzukommt natürlich vor allem in letzter Zeit der Deutschunterricht für Flüchtlinge. Gerade die Uni Regensburg bildet sehr viele Lehrkräfte mit den Zusatzqualifikationen Deutsch als Zweitsprache oder Deutsch als Fremdsprache aus. Diese Studiengänge sind eher auf Didaktik ausgelegt, nicht auf die starre Staffelung von Schulformen. Das Studium wird damit also in Bezug auf die zu unterrichtenden Altersklassen flexibler.

Warum gibt es denn in Bayern überhaupt noch Staatsexamen?

Bayern ist ein konservatives Land und das Kultusministerium hält seit Jahren an diesen Prüfungen fest, sozusagen als „bayerisches Alleinstellungsmerkmal“. Verantwortliche argumentieren, dass schon so viele Bundesländer eigene Regelungen hätten, dass Bayern lieber beim Bewährten bleibe, um die Situation nicht noch weiter zu verkomplizieren. Ich vermute aber eher, dass es in Zukunft auch innerhalb Bayerns komplizierter werden könnte: Einzelne Universitäten werden anfangen, ihren Lehramtsstudierenden Alternativabschlüsse anzubieten, aber solange es da kein einheitliches System gibt, endet das erst recht im Chaos. Schon jetzt ist es ein Unding, dass man innerhalb eines Landes 16 verschiedene Ausbildungssysteme findet!

Kann man Abiturientinnen und Abiturienten unter diesen Umständen überhaupt noch raten, Lehramt zu studieren?

Wenn sich jemand wirklich für einen Bildungsberuf begeistert, sollte er oder sie sich nicht abschrecken lassen, auch wenn das letztendlich vielleicht bedeutet, sich außerhalb Bayerns einen Job zu suchen. Momentan können wir ja auch noch gar nicht absehen, wie die Situation in vier oder fünf Jahren ist.

Bei Eltern und auch vielen Studienanfängern galt das Lehramtsstudium ja eigentlich als „was Sicheres“ im Vergleich zur freien Wirtschaft oder geisteswissenschaftlichen Bachelorabschlüssen…

So pauschal kann man das nicht sagen, der Lehrkraftbedarf folgt schon immer einem sogenannten „Schweinezyklus“. Auch in der Vergangenheit gab es Phasen, zu denen Absolventen jahrelang keine Stellen bekommen haben. Wenn es einen Lehrermangel gibt, entscheiden sich mehr Studienanfänger für ein Lehramtsstudium und schon entsteht wieder ein Lehrerüberfluss.

Vielleicht ist das aber auch einfach der falsche Ansatz: Ein Lehramtsstudium sollte schließlich vor allem dazu befähigen, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Es geht nicht unbedingt darum, hinterher einen sicheren Job zu haben.

Was rätst du Kommilitonen, die mitten im Lehramtsstudium stecken: Sollten die sich jetzt lieber noch schnell umentscheiden oder das Studium durchziehen und hoffen, dass es für einen Platz im Referendariat reicht?

Hoffen allein hilft nicht mehr, das wäre naiv. Am besten sollte man sich deshalb schon während des Studiums nach beruflichen Alternativen umsehen und sich überlegen, ob man zum Beispiel Zusatzqualifikationen erwerben kann. Oder man entscheidet sich gleich dazu, das Referendariat lieber in einem anderen Bundesland zu absolvieren. Abbrechen sollte der letzte Ausweg sein, zum Beispiel für Leute, die im Studium feststellen, dass sie eigentlich sowieso mehr an den fachlichen Inhalten interessiert sind als am späteren Lehralltag.

Ist der Wechsel in andere Bundesländer angesichts der unterschiedlichen Lehrpläne denn wirklich eine Option?

Ja, momentan gibt es einige Länder, vor allem im Osten Deutschlands, die händeringend nach Lehrkräften suchen. Das sind vielleicht nicht immer die attraktivsten Wohngegenden, aber möglich ist das auf jeden Fall. In anderen Bundesländern hat man zudem oft auch den Vorteil, dass das Referendariat dort nur 18, statt wie hier 24 Monaten dauert.

Du studierst selbst Gymnasiallehramt für Geschichte und Deutsch. Was ist dein Plan?

Ich werde zu Ende studieren, bemühe mich schon jetzt um Zusatzqualifikationen und glaube, dass es notfalls auch mit einem ersten Staatsexamen noch Möglichkeiten gibt, außerhalb des bayrischen Schuldienstes glücklich zu werden. Am liebsten wäre mir aber natürlich schon ein Referendariat.

Wir vom AStA finden, dass man, statt den Zugang zu beschränken, stattdessen lieber einen sinnvollen Stellenausbau betreiben und das antiquierte Lehramtsstudium überarbeiten sollte. Ich kenne viele motivierte Studierende, die bestimmt auch tolle Lehrkräfte wären. Irgendwo werden die zwar auch ohne Referendariat unterkommen, aber für den Schuldienst sind sie dann vielleicht auf Ewigkeit verloren.

Das Gespräch führte Anna Jopp.

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