Nur noch kurz die Stadt retten

Nur noch kurz die Stadt retten

Jeden Sonntag treffen sich Regensburger zum Kochen. Sie verwenden nur Lebensmittel, die für den Verkauf nicht mehr geeignet sind: ein Zeichen gegen die Verschwendung. Als Teil des Netzwerks Transition Town wollen sie die Welt verändern.

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Eine »Ess­bare Stadt« for­der­ten die Ak­ti­vis­ten von Tran­si­tion Town beim Welt­kul­tur­erbe Tag in Re­gens­burg. / Foto: Deidenbach


Schon fast halb sechs und Daniela Liebl wird ungeduldig. Das Essen ist noch nicht fertig. In einer halben Stunde sollte es auf dem Tisch stehen. Jetzt packt jeder nochmal mit an. Das Dressing für den Salat wird angerührt, die letzte Würze in den Eintopf gegeben und das Toastbrot aus dem Ofen geholt. Bei so vielen Helfern geht es dann doch schneller als gedacht. Es duftet nach Curry, Zwiebeln und der frischen Minze im Tee. Der Hunger ist groß und die Stühle bei der Küfa, der Küche für alle, voll besetzt. Guten Appetit.

Die Küfa ist eine der vielen Initiativen von Transition Town Regensburg. Seit 2006 verbreitet sich die Bewegung von Gründer Rob Hopkins weltweit. Fünf Jahre gibt es sie in Deutschland, seit Sommer 2012 auch in Regensburg. Transition will die Nachhaltigkeit fördern, regionale Landwirtschaft stärken, auf die Wegwerfgesellschaft aufmerksam machen und ganz grundsätzlich einen Wandel bewirken. Initiativen, die es zum Teil bereits vorher gab, sollen sich unter dem Netzwerk von Transition Town versammeln und das scheinbar Unvermeidliche aufhalten: Peak Oil. Der Begriff bezeichnet den Zeitpunkt, an dem die Nachfrage an Erdöl höher ist als die täglich mögliche Fördermenge. Um Alternativen zu finden, wollen die Transition Towns Menschen zum Umdenken bewegen.

Ein Zeichen gegen die Verschwendung

Ein gut laufendes Projekt ist die Küfa, die Küche für alle. Seit Januar 2013 wird jeden Sonntag ab 15 Uhr in den Räumen des L.E.D.E.R.E.R e.V. zusammen gekocht – mit Resten. Dafür werden bereits am Samstag unverkäufliche Lebensmittel, wie Obst mit Druckstellen, Brot oder bereits treibende Kartoffeln, vom City Biomarkt an der Kumpfmühlerstraße, vom Alnatura und der Markthalle am Dachauplatz, eingesammelt. Diese Lebensmittel sind nicht ungenießbar, sondern sehen nicht gut aus und werden deshalb nicht mehr verkauft. Normalerweise landen sie im Müll.

Ronja Eisenreich (links) und Michelle Platt beim Kochen in der Küfa. / Foto: Deidenbach
Ronja Eisenreich (links) und Michelle Platt beim Kochen in der Küfa. / Foto: Deidenbach

»Es ist einfach unglaublich, wie viel weggeschmissen wird«, sagt Daniela Liebl, die von Anfang an bei der Küfa dabei ist. Der 29-Jährigen ist klar, dass dieses Projekt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein gegen die Verschwendung ist. »Trotzdem ist es ein Weg gegen diese Art von Konsum ein Zeichen zu setzen«, sagt die Sozialpädagogin. Jeder, der Lust hat, könne beim Kochen helfen oder auch erst um sechs Uhr zum Essen kommen. Neben dem kostenlosen Essen ist den Teilnehmern meist die Gesellschaft am Wichtigsten. Durchschnittlich kommen zwischen 20 und 40 Leuten, darunter viele Studenten.

Wir sind viele

Bekannt ist Transition vor allem durch die Urban-Gardening-Initiative, die durch den Weltkulturerbetag in Regensburg noch mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte. Als offizieller Kooperationspartner der Stadt sorgte Transition für eine großflächige Begrünungsaktion. Aus dem Neupfarrplatz wurde eine »Grüne Oase«. Bleiben durften die Pflanzen jedoch nicht. Dafür soll es bald einen Gemeinschaftsgarten geben. Zudem kann Transition bereits eine kleine Grünfläche des Evangelischen Bildungswerk nutzen.

»Wir sind eine Bürgerbewegung. Vom Professor bis zum Hartz-IV-Empfänger haben wir alles dabei«, sagt Robert Eder alias Robi-e, ein Regensburger Künstler, Musiker und Fotograf. Seine Freundin Birgit Vogel initiierte Transition-Town -Regensburg. Gemeinsam sind die beiden die Hauptorganisatoren. Auch wenn es bei Transition Hierarchien nicht geben soll, muss jemand bei öffentlichen Aktionen wie Guerilla-Gardening verantwortlich sein. »Wir sind viele«, sagt Robi-e.

Seine Motivation ist die Unzufriedenheit mit der Welt. »Ich will den Leuten die Augen öffnen«, sagt er. Robi-e spricht ohne viel zu überlegen und unterstreicht Worte immer wieder mit Gesten. Vogel hingegen wirkt sehr ruhig. Die zierliche Masterabsolventin in Physik und zweifache Mutter spricht mit leiser, manchmal etwas stockender Stimme. Sie trägt eine einfache Jeans und eine schwarze Lederjacke. Ihre kinnlangen, braunen Haare fallen ihr beim Reden immer wieder ins Gesicht. Ihr Blick ist konzentriert. Mittlerweile arbeiten sie und ihr Lebensgefährte rund um die Uhr für Transition. Bis jetzt leben sie von Erspartem. Um den Lebensunterhalt auf Dauer stemmen zu können, erwägen sie eine Finanzierung durch Crowdfunding.

Die Vorarbeit müssen sie alleine leisten

Neben Küfa und Urban Gardening gibt es noch andere Projekte wie den UmsonstLaden. Lukas Engel, Psychologiestudent, und vier weitere Studenten arbeiten seit einem halben Jahr an der Idee. In Würzburg etwa gibt es ihn bereits. Die Umsetzung ist schwerer als gedacht. »Eigentlich brauchen wir Leute und Sponsoren. Viele sind erst dabei, wenn es richtig los geht«, sagt der 21-jährige Lukas. Die Vorarbeit müssen sie alleine leisten. Um Sponsoren für die Ladenmiete zu gewinnen und auch andere Leute für das Projekt zu begeistern, haben sie bereits zwei »Kleidertauschfeste« organisiert. Dort konnte jeder eigene Kleidung zum Tausch gegen andere anbieten. Die Idee kam gut an und der Laden soll nach demselben Konzept funktionieren. Durch Transition als Schirmherr ist es für sie einfacher, die Idee umzusetzen.

In der Küfa ist der Raum von klapperndem Geschirr und angeregten Gesprächen erfüllt. Die Teller sind leer, die Leute satt und zufrieden. Ein paar stellen schon das benutzte Geschirr zusammen und fangen an abzuspülen. Währenddessen wird der Nachtisch serviert: Porrige mit frischen Früchten und einer Prise Zimt. Die Reste kann sich jeder, der will, mit nach Hause nehmen. Auch Daniela Liebl ist zufrieden. Viele Leute waren da. Alle sind satt und es ist wieder etwas weniger gutes Essen im Müll gelandet.
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Mehr Infos

gibt es auf der Webseite von Transition Town Regensburg: transition-regensburg.de

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Interview mit Bibi (Carolin) Tillmann: „Etwas anderes als pure Freundschaft“

Carolin "Bibi" Tillmann ist bei Transition Town aktiv. / Foto: Deidenbach.
Carolin „Bibi“ Tillmann ist bei Transition Town aktiv. / Foto: Deidenbach.

Seit fast einem Jahr ist die Psychologiestudentin Bibi Tillmann (22) ein aktives Mitglied bei Transition Town Regensburg. Mit der Lautschrift hat sie über ihre Beweggründe, die Zukunft von Transition und die Sinnlosigkeit von Fernsehen gesprochen.

Wie bist du zu Transition Town gekommen und seit wann machst du mit?

Letztes Jahr im Mai war an der Uni das Global Dinner und Birgit hat dort einen Vortrag gehalten. Ich wollte mich schon immer engagieren, habe aber noch nichts gefunden, was mir richtig zugesagt hat. Hier dachte ich dann: »Wow, cool.«

Wie bringst du die Arbeit bei Transition und dein Studium unter einen Hut?

Bei mir ist das kein Thema. Ich hab das Gefühl, dass ich genug während meines Studiums machen kann – auch wenn es gerade noch etwas anstrengend ist. Aber ich hab einfach Lust etwas zu tun, ich hab sogar Zeit arbeiten zu gehen. Und das ist eben das Schöne, ich kann mich entscheiden: Anstatt Fernsehzusehen bin ich bei Transition Town. Viele Leute hocken auf dem Sofa, sind völlig isoliert, bekommen irgendeine komische TV-Scheinwelt vorgespielt, die nichts mit ihnen zu tun hat. Das ist etwas, was ich für mich nicht will. Da tu’ ich lieber was.

Was ist dein innerer Antrieb?

Es ist der Wunsch, etwas beizutragen, etwas zu formen, etwas zu wandeln in diesem Fall. Wir diskutierten viel und es ist einfach etwas anderes als pure Freundschaften und das ist sehr reizvoll für mich

Welche Ideen eurer Ideen findest du für due Masse am ehesten verwirklichbar? 
Es kommt ganz drauf an, ob gerade Leute da sind, die etwas spannend finden, die etwas in eine bestimmte Richtung machen wollen, das dann auch umgesetzt wird. Einfach Sachen gehen natürlich schnell. Was mehr Zeit fordert sind z.B. Sachen wie das Regionalgeld. Hier braucht man gute Beziehungen und mehr Anlaufzeit. Sinnvoll ist das, was die Leute wichtig finden für ihre Stadt, dass, was sie vertreten können und ihnen gefällt. Also mich hat von Anfang an das Urban-Gardening-Projekt interessiert. Diese Unabhängigkeit von den globalen Märkten und dass man regional schaut, wie man sich versorgen kann, auch bezüglich des Erdölfördermaximums. Dass nicht alles herum gekarrt wird. Und auch die Tauschsachen sind super. Wir können nicht einfach immer kaufen und dann wegschmeißen, das geht nicht. Ich bin gespannt, wo es sich hin entwickelt. Das hängt ja von vielen Faktoren ab, wer gerade da ist, wer an was Interesse hat. Umsetzbar ist glaube ich sehr, sehr vieles. Das ist eben momentan so toll, dass viele Leute dabei sind und Interesse haben, etwas zu ändern.

Könntest du dir denn vorstellen nach dem Studium voll einzusteigen und hauptberuflich mitzumachen oder wäre das eher etwas, was nebenher läuft?

Für mich fände ich es wichtig mehrere Sachen zu haben, mit denen ich mich beschäftige, nicht nur eine Sache zu machen. Sonst würde ich wahrscheinlich irgendwann leer laufen, habe ich das Gefühl. Von daher ist es eher etwas, was ich nebenher machen möchte. Momentan würde mich auch die Umweltpsychologieecke interessieren, von der gibt es in Regensburg leider nicht so viel. Aber letztendlich will ich schon eher Therapeutin werden.

Wo siehst du aus deiner Perspektive aus die Grenzen von Transition Town?

Transition Town ist das am schnellsten wachsende soziale Experiment weltweit. Es gibt uns schon in den verschiedensten Ländern und Städten. Allerdings hängt es eben von den Leuten ab, ob sie sich treffen und etwas anpacken. Und es ist ja auch leider so, dass oft nur die Leute erreicht werden, die sich sowieso schon für solche Themen interessieren. Durch Aktionen wie am Weltkulturerbetag wollen wir Leute erreichen, die nicht schon öko interessiert sind und das Greenpeacemagazin abonnieren.

Bist du denn schon einmal auf Kritik gestoßen?

Man hat dieses Öko-Label und wird abgestempelt . Wobei ich ehrlich gesagt mehr mit Leuten zu tun habe, die da nicht so denken. Ich wurde nie so richtig vorn Kopf gestoßen. Wenn man das fremden Leuten erzählt, die gar nichts damit zu tun haben kommt schon oft diese Irritation „Hä, was machst du denn da?“. Da wird man auch schnell emotional, weil es mir eine wichtige Sache ist und dann merke ich, dass ich da abrutschte und emotional und nicht inhaltlich diskutiere. Da muss man aufpassen.

Wo siehst du die Zukunft von Transition Town-Regensburg?

Zurzeit ist es die am schnellsten wachsende Initiative in Regensburg. Wir erreichen wahnsinnig viele Leute über die Newsletter und über die Email-Listen und das wird auch weiter zunehmen. Der Sinn dahinter ist ja nicht, dass Transition da sein eigenes Ding macht, sondern sich vernetzt. Das ist ein großes Anliegen, dass Vorhandenes genutzt wird und zusammen gearbeitet wird. Aber in Regensburg muss schon noch viel passieren, zum Beispiel mit dem Gemeinschaftsgarten. Ich sehe es schon kritisch, dass die Stadt da nicht schon früher bereit ist, obwohl wir schon seit einem Jahr dran sind. Der Weltkulturerbetag war sozusagen der Beweis, wir haben Leute, wir können das, aber es geht sehr langsam. Da wünsch ich mir, dass das umgesetzt wird und wirklich viel weiter geht. Ich wünsch mir einfach, dass es weiter wächst.

2 thoughts on “Nur noch kurz die Stadt retten

  1. Jedes Jahr werden in unserem schönen Deutschland ca. 10-11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, weil am Apfel eine kleine Delle,an der Tomate eine weiche Stelle ist; oder weil das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ (was für ein Wort!!!) abgelaufen ist. Meine Oma hat 90 glückliche Jahre erlebt, ohne das Wort überhaupt zu kennen!!!
    Schön, dass Ihr wenigstens den einen oder anderen kleinen Tropfen auf den heißen Stein tröpfeln lasst!
    Weiter so!

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