Geht’s noch?

Geht’s noch?

Schon morgens beginnt der ganz normale Unihorror. Der Kampf um die Stehplätze im Bus ist eröffnet. Obwohl man sich jetzt schon glücklich schätzen muss, überhaupt einen Fuß in die überfüllte Kiste setzen zu können, kommt man sich drinnen vor wie in einer Mischung aus finnischer Sauna und Gummizelle. Ungefähr so müssen sich die Gurkenscheiben im Cheeseburger fühlen. 

Guter Start in den Tag. Aber das reicht noch nicht: An jeder Haltestelle drückt sich noch mehr studierwütiges Univolk in den gelben Karren. Schwer verständlich ist deshalb, dass man dafür in Zukunft auch noch einen Zuschlag zahlen soll. Wer glaubt, nach dieser Tortur wieder frei durchatmen zu können, hat sich getäuscht. Die Unigänge sind verstopft, die Hörsäle quellen über und man sichtet des Öfteren Stuhlwanderungen von einem Seminarraum zum anderen bis dieser, brechend voll, kaum mehr zu schließen ist. Während die Luft hier immer dünner wird, fragt man sich, ob die Unsummen an Studiengebühren, die immer noch unverbraucht in der Uni lagern, nicht in etwas Sinnvolles investiert werden könnten. Mein Vorschlag: Sauerstoffzelte.

Erhofft man sich zumindest ein entspanntes Mittagessen, hat man weit gefehlt. Auch vor der Mensa reihen sich die hungrigen Menschenmassen in meterlangen Schlangen vor der Essensausgabe. Wer hat schon Lust, sich eine halbe Stunde die Beine in den Bauch zu stehen?  Es wäre ja gerade noch zu verkraften – wenn da nicht der nächste Kurs schon wieder im Hinterkopf säße und mit ihm die drohende Frage: Isst du noch oder hast du schon ’nen Platz im Hörsaal? Also: das Essen in 10 Minuten herunterschlingen und den Stuhl für die schon ungeduldig wartenden Mitstudenten freimachen.

Auch das außeruniversitäre Leben verliert an Reiz. Die Mietpreise steigen schneller als Felix Baumgartner in die Stratosphäre. Bald kann Regensburg Münchner Preisen Konkurrenz machen. Wegen der übertriebenen Profitgier droht zudem vielen Bars die Schließung, die für die Stadt längst mehr geworden sind als bloße studentische Trinkstätten. Sie haben Tradition, Seele und erzählen Geschichten. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, wird das alternative, besondere Regensburg in nächster Zukunft vom grauen Einheitsbrei verschlungen. Mit dem Wegfall der Kultbars könnte auch die beanspruchte Bestmarke der höchsten Kneipendichte Deutschlands bald Geschichte sein. Aber vielleicht erlangt Regensburg ja dafür den Rang als Stadt mit den meisten Fahrradkellern. Glückwunsch!

Text: Michaela Schwinn
-> Für die kommende Printausgabe im Januar recherchiert sie gerade zum Thema Kneipensterben und Wandel in Regensburg

Foto: Pia Weishäupl. 

 

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