Springerstiefel und Glatze: Das war einmal

Springerstiefel und Glatze: Das war einmal

Rechtsextremismus wird in Wellenbewegungen wahrgenommen. Nach der Aufdeckung der Terrorzelle sind die Umtriebe von Neonazis wieder in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. An der Uni beschäftigte sich deshalb eine Podiumsdiskussion mit den „Strukturen und Gefahren der Rechten Szene“.

Wie ernst die Sache ist, wurde den Besuchern schon klar, als sie das Vielberth-Gebäude betraten und davor zwei Polizeiautos und Beamte herumstanden. Denn: Wer sich rassistisch äußere, werde des Saales verwiesen – wenn nötig mit Polizeigewalt. Vor über zwölf Jahren wäre vielleicht Manuel Bauer dafür ein Kandididat gewesen, schließlich war er in der Neonazi-Szene aktiv, unter anderem in Gruppen wie „Wehrsportgruppe Racheakt“ oder „Bund arischer Kämpfer“. Heute tritt Bauer in die Öffentlichkeit, um Aufklärungs- und Präventionsarbeit zu leisten. Den Ausstieg schaffte er mit Hilfe der Organisation „EXIT“. „Immer wieder werde ich gefragt, ob man das Gedankengut wirklich komplett verlieren kann. Ich muss sagen: Ja, aber es war ein Prozess über Jahre hinweg“, erzählt Bauer. Er habe dabei gezielt jahrelang Gespräche mit Ausländern oder Homosexuellen gesucht. Der Wendepunkt trat für ihn während einer Gefängnisstrafe ein, als sich in Haft zwei Türken in einer Auseinandersetzung mit andern Neonazis für ihn einsetzten.

Doch nicht nur Manuel Bauer berichtete über die rechte Szene, sondern auch Thomas Witzgall von „Endstation Rechts. Bayern“, einem Projekt der Jusos, und Günter Kohl vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“, der als Lehrer an einer Schule in Schwandorf arbeitet. Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Regensburg hat die Veranstaltung organisiert.

NPD und freie Kameradschaften: Die Szene ist zweigeteilt

Die rechte Szene in Bayern ist aufgeteilt, und zwar in die Parteistrukturen der NPD und die freien Kameradschaften, die sich im „Freien Netz Süd“ organisieren. „Diese beiden stehen sich unversöhnlich gegenüber“, erklärt Witzgall. Dies habe mit persönlichen Differenzen zu tun, aber auch strategischen Unterschieden: Während die NPD versucht, militantes Auftreten zu vermeiden und eine sogenannte „radikale Seriosität“ auszustrahlen, lehnen das die Kameradschaften als radikale Gegner der Demokratie ab. „Sie vertreten eine knallhart nach außen propagierte Radikalität“, sagt Witzgall. Nur wenige Personen würden zwischen diesen Gruppierungen hin und her wechseln. Die Oberpfalz stelle hier eine gewisse Ausname dar: „Hier haben die Freien Kameradschaften die NPD quasi übernommen.“

Dem Klischee von Glatzen mit Springerstiefel entsprechen Neonazis aber heute nicht mehr unbedingt. Bei Demos überwiegen schwarze Outfits und Sonnenbrillen. Die Rekrutierung von Jugendlichen ab zwölf Jahren läuft über die Kameradschaften. Der Lehrer Günter Kohl erzählt: „Ein typischer Einstieg verläuft so: Jugendliche werden von Älteren angesprochen. Die Älteren laden sie zum Essen und Trinken ein, spielen vielleicht auch Darts.“ Erst mit der Zeit käme dann auch die Ideologie ins Spiel. „Je schwächer dann eine Persönlichkeit ausgebildet ist, desto höher ist die Gefahr, dass man in der Szene bleibt und nicht mehr herauskommt“, so Kohl.

Seit November ist das Thema Rechtsradikalismus in Deutschland wieder brandaktuell, nachdem bekannt wurde, dass die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ in den vergangen Jahren zehn Menschen aus rassistischen Motiven ermordet hat. Wie beeinflußt das die Szene? „Die NSU radikalisiert sie sehr wahrscheinlich und motiviert zu aggressiverem Verhalten“, vermutet Thomas Witzgall. Ihm sei aufgefallen, dass die Sprache härter geworden sei und vermehrt lokale Aktivisten angegriffen würden. Außerdem fangen Rechtsextreme  an, die Symbole der NSUaufzunehmen. So wurde in München die Titelmelodie von Paulchen Panther abgespielt, die bei dem NSU-Bekennervideo prominent eingesetzt wurde. Bei einem Aufmarsch im oberbayerischen Mühldorf haben die Rechten mit dem Schlusswort der Sendung gespielt: „Mühldorf, wir kommen wieder, keine Frage“ hieß es da auf einem Transparent. Die NSU wird in Schulungen zukünftig wohl als „deutsche Märtyrer vor der eigenen Haustür“ glorifiziert werden, glaubt der Ex-Neonazi Bauer.

Rechtspopulisten ersetzen Rasse mit Kultur

Doch nicht nur die NSU hat das Thema rechte Gewalt wieder auf die Agenda gebracht. Im Juli letzten Jahres geschah dies bereits durch die Morde von Anders Breivik in Oslo und Utøya. Breiviks Einfluss schätzt Witzgall aber als nicht besonders stark ein. Er sei den Rechtspopulisten zuzuordnen und damit pro-amerikanisch und pro-Israel, was der Ideologie der deutschen Neonazis entgegenstehe. „Aber im Grunde gibt es keinen Unterschied zwischen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten“, findet Witzgall: „Das ist ein genauso willkürlicher Ausgrenzungsmechanismus. Sie ersetzen nur Rasse mit Kultur und haben das gleiche Ziel: eine homogene, nicht-pluralistische Gesellschaft.“

Zu einem möglichen NPD-Verbot gab es unterschiedliche Meinungen. Bauer ist klar für ein Verbot: „Das finde ich gut, denn die Propagandamittel werden mit Steuergeldern bezahlt.“ Natürlich lasse sich so rechtes Gedankengut nicht verbieten, aber zumindest habe die Gesellschaft ihre Finger aus dem Spiel, wenn viele hunderttausende von Euros gestrichen werden. Witzgall sieht ein Parteienverbot dagegen kritisch: „Das ist nur eine Ausfluchtmöglichkeit einer Gesellschaft, die ihre Hausaufgaben nicht macht.“

Erst durch die Ereignisse in den letzten Monaten haben Neonazis wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Doch das sei falsch, findet Witzgall, denn: „Rechtsextremismus wird in Wellenbewegungen wahrgenommen und nicht als das konstante Problem, das es eigentlich ist.“

Text: Katharina Brunner

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