Hommage auf den Minotaurus

Hommage auf den Minotaurus

Picasso im Leeren Beutel

Die Städtische Galerie im Leeren Beutel präsentiert bis zum 19. Februar 2012 eine Sonderausstellung zu den Lebensthemen des berühmten Malers Pablo Picasso. Mit 72 ausgestellten Werken wird versucht, einen Querschnitt seines künstlerischen Schaffens aus insgesamt vier Jahrzehnten zu zeigen. Alle Exponate stammen aus der Sammlung des Kunstmuseums Pablo Picasso in Münster und wurden exemplarisch ausgewählt, um die wichtigsten Themen und Motive aus dem Leben des Genies widerzuspiegeln: der Minotaurus, der Künstler und sein Modell, die Mythologie, die Tiere und die Frauen.

Darunter sind 17 Radierungen der berühmten Suite Vollard zu sehen, eine Folge von 100 Grafiken, die Picasso innerhalb von sieben Jahren (1930-1937) schuf. Der Pariser Verleger und Kunsthändler Ambroise Vollard (1868-1939) gab das Projekt nicht nur in Auftrag, sondern verlieh ihm zusätzlich seinen Namen. Als künstlerische Hommage widmete Picasso dem Galeristen drei Porträts, die im Jahr 1937 als letzte Arbeiten der Folge entstanden. Leitmotivisch umkreisen die Blätter der Suite Vollard unter anderem das markante Profil der jungen Geliebten Picassos, Marie-Thérèse Walter. 1935 ließ diese Affäre seine Ehe mit der russischen Balletttänzerin Olga Koklova nach 17 Jahren endgültig zerbrechen. Infolgedessen kam Picassos künstlerische Schaffenskraft fast vollständig zum Erliegen, er selbst bezeichnete diese Jahre als die »schlimmste Epoche« seines Lebens.

Die Technik der Radierung – auch Ätzverfahren oder Tiefdruck genannt – stammt aus dem 16. Jahrhundert. Hierbei wird eine Metallplatte mit einer säurefesten Schicht überzogen (meist aus Wachs, Harz und Asphalt), auf die mit der sogenannten Radiernadel gezeichnet wird, ohne das Metall zu verletzen. Anschließend wird die Platte in ein Säurebad gegeben, welches nur die von der Nadel freigelegte Zeichnung in das Metall ätzt. Auf diese Weise entsteht eine Druckvorlage des gewünschten Motivs. Da die Radierung die Kombination verschiedenster technischer Möglichkeiten erlaubt, erfreute sie sich bei vielen Künstlern großer Beliebtheit. Picasso etwa erzielte gewisse bildnerische Effekte, indem er die Techniken Kaltnadel, Schaber, Grabstichel, Polierstahl und Aquatinta kombinierte.

Dem aufmerksamen Betrachter wird nicht entgehen, dass sich unter den Exponaten zahlreiche Zustandsdrucke befinden, also die Darstellung eines bestimmten Motivs in verschiedenen Abwandlungen oder Zuständen. Picasso benutzte die Vorteile der Lithographie, um sowohl den Druckprozess zu optimieren, als auch seine Werke kompositorisch schrittweise zu verändern. Hierbei handelt es sich um eine Technik aus dem 18. Jahrhundert, bei der der Druck von der Fläche einer Steinplatte erfolgt. Da bei diesem Verfahren auch Farbdrucke und höhere Auflagen möglich sind, kommt es der frei gestaltenden und künstlerischen Entfaltung sehr entgegen. Dies wird anhand von Dreifachfolgen ein und desselben Motivs besonders veranschaulicht, zum Beispiel bei der Reihe »Stilisierte Figur«.

»Verbände man auf einer Karte all meine Lebensstationen mit Strichen, dann würde sich vielleicht die Gestalt eines Minotaurus ergeben«, hat Pablo Picasso einmal gesagt. Immer wieder taucht in seinem Werk der Minotaurus auf, das mythologische Mischwesen aus Stier und Mensch, mit dem sich Picasso auch gerne selbst identifizierte. Dies lässt sich gut auf einem der insgesamt zwölf Vintage-Fotographien der drei bedeutenden Fotografen Robert Capa, Edward Quinn und Lucien Clerque erkennen. Hier wird der Künstler mit einem Minotaurus-Kopf aus Korbmaterial abgebildet, als eine Art Verschmelzung des Genies mit seinem Werk. Generell veranschaulichen die ausgewählten Fotos die private Seite Picassos, teilweise im Atelier oder auch in einer seiner zahlreichen Residenzen.

Zusätzlich zu den Grafiken und Fotos wird durchgehend der Film »Minotauromaquia. Pablo im Labyrinth« vorgeführt, ein Animationsfilm inspiriert von den Arbeiten Picassos und den Mythen des Labyrinths des Minotaurus. Dem Regisseur Juan Pablo Etcheverry ist es trotz der kurzen Filmdauer von zehn Minuten gelungen, die Minotaurus-Thematik eindrucksvoll und interessant darzustellen. Auf Wunsch kann der Film sogar mit Tonspur direkt im Ausstellungsraum angesehen werden.

Die Exposition ist aufgrund der eindrucksvollen Werke und dem schönen Ambiente der Städtischen Galerie ein Muss für jeden Kunst- und Picasso-Fan. Und wie der Spanier selbst treffend festgestellt hat: »Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.«

Text: Britta Schönhütl

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