Books | Der unschöne Schein

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Ein Idyll aus grauer Vorzeit: Wissenschaft, das sei, sagt der Bamberger Soziologe Richard Münch, eigentlich einmal gedacht gewesen als eine Art produktiver Wettbewerb ohne Sieger und Besiegte. Im Idealfall bestimme dabei das »Schenken aus Dankbarkeit, Verbundenheit und Verpflichtung« das Handeln der Akteure.

Dieses tradierte Wissenschaftsideal kontrastiert Münch in seinem Buch »Akademischer Kapitalismus« mit jenen bedenklichen Entwicklungen jüngerer Zeit, von denen wir, die wir an der Institution Universität teilhaben, ein Lied singen können.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass dem Kapitalismus die Tendenz innewohnt, die Welt nach seinem Ebenbild zu formen: Wo die Wirtschaft von den Marktprinzipien beherrscht wird, werden diese früher oder später über die Grenzen der Sphäre der Börsen, Geldtransfers und Handelsbeziehungen hinausdrängen und Domänen erobern, die vormals an ganz anderen Normen als jener der Profitmaximierung orientiert waren. Das gilt auch für die Domäne der Wissenschaft.

Diese werde, sagt Münch, nicht mehr »in ihrem eigenen Wert und als funktional ausdifferenziertes, autonom […] operierendes System begriffen, sondern als Teil der Ökonomie.« Die Universität wird in diesem Ökonomisierungsprozess »zu einem Unternehmen, das seine Ressourcen nach ökonomischen Kriterien einsetzt, um sich größtmögliche Marktanteile im Wettbewerb um Gelder, Forschende, Lehrende und Studierende zu sichern.« Profil- und prestigebildende Maßnahmen dienen den Universitäten dabei als Mittel der Wahl.

Wohin mag es führen, wenn selbst die Wissenschaft, deren oberste Dienstherrin ja eigentlich den Namen »Erkenntnis« trägt, die Prioritäten vom Sein in den Schein verlagert? Münchs Prognose ist düster: Wenn wissenschaftlicher Erfolg nur mehr am Kapitalertrag gemessen wird, droht die Entmachtung der akademischen Gemeinschaft – einer Gemeinschaft, die ihr Selbstverständnis seit jeher aus dem Bewusstsein der eigenen Autonomie geschöpft hat.

Wissenschaft ist niemals gänzlich frei von der Indienstnahme für gesellschaftliche Zwecke gewesen. Der entscheidende Punkt ist aber, wie Münchs Buch deutlich macht, dass es ein Fehlschluss wäre zu meinen, dass jene Mechanismen der profitorientierten Straffung von Prozessen der Wissensgenerierung notwendigerweise mit einem Plus an Effizienz und wissenschaftlicher Qualität einhergehen müssten.

Es scheint vielmehr so, als würden jene Wissenschaftslenker, die den Universitäten auf Gedeih und Verderb die »unsichtbare Hand« des Marktes aufzwingen wollen, am Ende das Gegenteil von dem erreichen, was sie damit eigentlich bezwecken: Anstatt die Wissenschaft zukunftsfähig zu machen, treiben sie ihre Aushöhlung und Selbstverleugnung voran – und betreiben so Raubbau an einer Institution, auf die unsere Gesellschaft ebenso wenig verzichten kann wie auf Strom und fließend Wasser.

Richard Münch: Akademischer Kapitalismus. Über die politische Ökonomie der Hochschulreform, Berlin 2011. 18 Euro, 459 Seiten.


Text von Franz Himpsl

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