Pegelstand: Bis zum Hals

Pegelstand: Bis zum Hals

Zwei Wochen vor Semesterbeginn fiel mehr als jeder fünfte Sprachkurs fehlenden Finanzen zum Opfer. Nicht nur für Studenten wurde es eng in den verbleibenden Kursen, auch Dozenten mussten um ihren Platz fürchten. Jetzt begehren die Lehrbeauftragten auf, die sich mit ihrem Job nicht über Wasser halten können.

Foto: C. Schmiegel, M. Schwinn
Foto: C. Schmiegel, M. Schwinn

Zwei Computer, zwei Schreibtische, leere Arbeitsflächen: Die paar Quadratmeter im Sammelgebäude sind penibel aufgeräumt, auf den Tischen liegen keine losen Blätter oder persönliche Gegenstände, die Bildschirme sind schwarz. Eine Frau in ihren Dreißigern sitzt auf einem Drehstuhl. »Die Dozenten sind zuverlässig und ordentlich, sonst würde das nicht gehen«, sagt sie. Das Büro ist die Anlaufstelle für alle Lehrkräfte der studienbegleitenden Fremdsprachenausbildung und Deutsch als Fremdsprache. Laut Website des Zentrums für Sprache und Kommunikation der Universität Regensburg sind das im Wintersemester an die 150 Personen.

Ein Büro für 150 Angestellte: »Wir Lehrbeauftragte arbeiten in einer eigentlich untragbaren Situation und das schon seit vielen Jahren«, sagt Maria Maier, die möchte, dass ihr Name geändert wird. Sie hat Angst, dass das, was sie sagt, Folgen haben könnte und sie im kommenden Semester nicht mehr als Sprachdozentin arbeiten kann. Auch ihre Kollegin Anna Auer möchte nur mit einem Pseudonym erwähnt werden: »Wir arbeiten unter schlechten Bedingungen. Wir haben keine Rechte. Das finde ich ziemlich schlimm.«

»So kann man nicht arbeiten«

Das Zentrum für Sprache und Kommunikation (ZSK) bietet allen Studenten unabhänig von ihren Studienfächern die Möglichkeit, Sprachen zu lernen. Am 2. Oktober veröffentlichte das ZSK eine Nachricht auf ihrer Website, die potenziell jeden Studenten an der Uni betreffen kann: »Aufgrund nicht zugewiesener Gelder werden im Wintersemester 2013/14 zahlreiche ZSK-Kurse ersatzlos gestrichen.« Zwei Wochen vor Semesterbeginn mussten dann nicht nur Studenten, die eigentlich Spanisch- oder Englischkurse belegen wollten, umplanen, sondern auch die Dozenten, die diese halten sollten.

Es verwundert nicht, dass zum Semesterbeginn die Kurse überlaufen waren: »Von überfüllt konnte nicht mehr die Rede sein. Überfüllt heißt 40 oder 50 Leute, das war so in den letzten Semestern der Fall. Jetzt ist es so, dass ich nicht einmal ungefähr sagen kann, wie viele da waren, der Raum war propenvoll«, sagt Maier. »Alle haben geschwitzt und sich geärgert – ich mich auch. So kann man nicht arbeiten.« Dieser Kurs war kein Einzelfall. Das Zentrum für Sprache und Kommunikation hat deswegen eine E-Mail-Adresse für Beschwerden eingerichtet, um den Bedarf zu dokumentieren. Doch die Reaktion der Studenten war nicht besonders stark: Um die 200 E-Mails gingen ein. »Ich war richtig schockiert, als ich die Zahl gehört habe. Das ist in meinen Augen gar nichts«, sagt Maier. Die Geschäftsführerin des ZSK Julia Reindl drückt es diplomatischer aus: »Ich glaube, dass der tatsächliche Bedarf noch wesentlich höher liegt.« Eine Online-Petition aus studentischen Kreisen, die seit dem 11. November läuft, zeigt ebenfalls keine besonders hohe Beteiligung: Die 500 benötigten Unterschriften, um als erfolgreich zu gelten, hat die Petition zum Redaktionsschluss nicht erreicht.

Statt Beschwerde-E-Mails plant das ZSK für das Sommersemester deshalb ein neues Anmeldeverfahren: »Wir bitten darum, dass sich Leute so früh wie möglich anmelden, damit wir beispielsweise schon Mitte Februar den Bedarf im Vergleich zum gegenwärtigen Angebot sehen. Nur so kann argumentiert werden, dass die Kurse auch wirklich notwendig sind.«

Die Kurse kurzfristig ausfallen zu lassen, ist möglich, weil etwa die Hälfte der Veranstaltungen am ZSK von sogenannten Lehrbeauftragten gehalten werden. Lehrbeauftragte sind freie Mitarbeiter der Universität, die auf Honorarbasis Sprachkurse halten. Pro Stunde erhalten sie 21 Euro, unter besonderen Umständen gibt es einen Zuschlag von fünf Euro. Damit ist alles abgegolten: Vorbereitung, Nachbereitung oder die Korrektur von Klausuren. Pro Woche dürfen Lehrbeauftragte höchstens neun Stunden Unterricht halten. Wie auch andere Freiberufler müssen sie sich um Sozial- und Rentenversicherung selbst kümmern. »Davon kann man nicht leben«, berichtet Maria Maier. »Die wissen genau, dass 100 Leute vor der Tür stehen, die sich um den Job reißen, wenn ich ihn nicht will. Man soll also glücklich sein mit dem, was man hat.« Auch für Ilaine Distler, die Portugiesisch unterrichtet, ist klar, dass man zusätzlich Hartz 4 beantragen müsste. »Für mich ist das ein Nebenjob, der großen Spaß macht«, sagt Distler. Hauptberuflich bietet sie mit ihrer Firma verschiedenste Übersetzungsdienste an. Andere Lehrbeauftragte halten sich mit zusätzlichen Jobs an der Ostbayerischen Technischen Hochschule, an der Volkshochschule oder an privaten Sprachschulen über Wasser.

Blomeyer schiebt die Verantwortung zurück zum ZSK

Auch die Geschäftsführerin des ZSK ist sich der schlechten Bezahlung bewusst: »21 Euro spiegeln aus meiner Sicht nicht unbedingt den Wert wider, den diese Arbeit für unser Sprachenzentrum hat. Ich würde mehr zahlen, aber das liegt nicht in meiner Macht.« Vielmehr liegt es in der Macht des Kanzlers der Uni Regensburg, Christian Blomeyer. Er ist es, der laut § 2 der zuständigen Richtline die Lehrbeauftragten ernennt. Blomeyer lässt Kritik an sich abperlen und schiebt die Verantwortung zurück zum ZSK. Dafür sei er nicht verantwortlich: »Wir nehmen Hinweise des ZSK natürlich zur Kenntnis und nehmen diese auch ernst. Von Seiten des ZSK ist da nichts gekommen.« Zudem sei es nicht im Interesse der Universität, Sprachdozenten allzu lange an die Uni zu binden. Das hat keine finanziellen Gründe: »Eine Dauerbeschäftigung der Lehrbeauftragten können wir nicht garantieren. Sie ist auch nicht immer sinnvoll. Gerade im Sprachbereich sind wir daran interessiert, junge und frische Leute zu bekommen, weil sich eine Sprache ja ständig weiterentwickelt.«

»Eine Dauerbeschäftigung der Lehrbeauftragten können wir nicht garantieren«, sagt der Kanzler Christian Blomeyer / Foto: Pia Weishäupl
»Eine Dauerbeschäftigung der Lehrbeauftragten können wir nicht garantieren«, sagt der Kanzler
Christian Blomeyer / Foto: Pia Weishäupl

Die Wut ist groß unter den Lehrbeauftragten – und das nicht erst seit dem Wintersemester und nicht nur in Regensburg: »Lehrauftrag bedeutet eine kurzfristige Ergänzung und Vertretung. Lehrauftrag bedeutet nicht, dass man Leute jahrelang unter prekären Bedingungen beschäftigt. Es ist unmöglich, dass Hochschulen in Deutschland davon profitieren, Leute kurzfristig zu beschäftigen und wieder hinauszuwerfen«, sagt Maier.

Die Studienzuschüsse für zentrale Einrichtungen sinken rapide

Dem Zentrum für Sprache und Kommunikation stand im Wintersemester aus zwei Gründen weniger Geld zur Verfügung: Erstens werden die Kompensationsgelder für die weggefallenen Studienbeiträge, die sogenannten Studienzuschüsse, anders zwischen den Fakultäten und den zentralen Einrichtungen verteilt. »Der größte Teil ging in diesem Fall an die Fakultäten«, sagt der Kanzler der Uni Regensburg, Christian Blomeyer. Von 60 Prozent soll der Anteil für die Fakultäten auf etwa 75 Prozent gestiegen sein – im Umkehrschluss ist der Anteil für die zentralen Einrichtungen auf circa 25 Prozent gesunken. Das hat einen Grund, verrät Cornelius Merz, Referent für Hochschulpolitik im aktuellen SprecherInnenrat: »Die Fakultäten haben sich massiv beschwert, weil der Anteil der zentralen Einrichtungen in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen ist.«

Finanzielle Löcher können nicht gestopft werden Die zweite Ursache für weniger Sprachkurse liegt in einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2010 (pdf). Danach können sich Mitarbeiter, die befristet angestellt sind, in eine unbefristete Stelle einklagen – auch am ZSK. »Dadurch werden Gelder dauerhaft gebunden. Das sind die rechtlich Gegebenheiten mit sehr positiven Folgen für das ZSK, die wir bei unserer Planung berücksichtigen müssen«, sagt Reinel. Merz aus dem studentischen Kovent sieht das nicht nur positiv: »Unbefristete Stellen sind generell eine super Sache, aber nicht, wenn sie aus Studienzuschüssen, und damit befristeten Geldern, finanziert werden.«

Nach Abzug aller Personalkosten blieben 300.000 Euro für 17 zentrale Einrichtungen übrig. Der größte Teil davon ging an die Bibliothek. »Für Lehraufträge haben wir aus Studienzuschüssen keinerlei Gelder mehr bekommen «, sagt Reinel. Das wurde ihr im August mitgeteilt. Keine neue Situation: Seit 2011 hieß es im Sommer wieder, dass die Finanzierung für das ZSK unsicher sei. »In der Vergangenheit konnten wir die Löcher über andere Geldquellen stopfen«, so Reinel. Das war dieses Mal anders: »Es war ungewöhnlich, dass zusätzliche Anträge auf Gelder nicht bewilligt wurden.«

»Es sind Köpfe gerollt«

Kurz vor Semesterbeginn konnten sich die Leitung des ZSK und die Universitätsleitung doch noch auf einen Notfallplan einigen: Sie griffen zurück auf Haushaltsreste aus laufenden Mitteln und Einnahmen des ZSK durch den Master of Speech Communications and Rhetoric. Damit konnte verhindert werden, dass alle Kurse von Lehrbeauftragten wegfallen. »Lehrbeauftragte können höchstens vier Stunden pro Woche, also zwei Kurse, halten«, sagt die Sprachdozentin Anna Auer. Für sie selbst waren eigentlich sechs Stunden vorgesehen, bekommen hat sie vier. Einige Dozenten sind gänzlich leer ausgegangen: »Es sind Köpfe gerollt«, sagt Maier. Wieviele Lehrbeauftragte keine Aufträge mehr bekommen haben, konnte das ZSK nicht sagen.

Ein Plädoyer für mehr Transparenz

Vor einem Jahr haben die Lehrbeauftragten in der studienbegleitenden Fremdsprachenausbildung einen Brief verfasst, mit dem sie ihre Interessen beim Kanzler vertreten wollten. »Bis heute haben wir keine Antwort bekommen«, sagt Auer. »Für uns ist das ein Zeichen dafür, dass wir nicht ernst genommen werden.« Kanzler Blomeyer weiß davon nichts: »Ich kann mich an einen solchen Brief nicht erinnern. Es kann allerdings sein, dass wir den Brief so aufgefasst haben, dass es eine Feststellung ist, zu der man nichts weiter sagen muss.«

Die Forderungen, auf die sich die Lehrbeauftragten bei einem Treffen zu Beginn des Semesters einigten, lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: Mehr Geld, mehr Planungssicherheit, offenere Kommunikation. »Jede Information gibt es immer nur hinter vorgehaltener Hand«, sagt Maier. Sie plädiert deshalb auch für mehr Transparenz: »Ich möchte, dass alle Finanzen offen einsehbar sind, nur dann kann man nachvollziehen, warum eine Situation wie diese entstanden ist.«

In Sachen Planungssicherheit könnte es Fortschritte geben: »Wir sind dabei, uns für die künftige Verteilung auf ein System zu verständigen, so dass wir noch weitergehende Planbarkeit gewährleisten können«, sagt Kanzler Blomeyer. Wie ein solches System aussehen soll, kann er noch nicht sagen. Abwarten, heißt das für die Lehrbeauftragten. So kämpferisch Auer und Maier an mancher Stelle wirken, so desillusioniert sind sie auch. Maria Maier sagt resigniert: »Wir sitzen alle in einem Boot, aber wir rudern nicht in die gleiche Richtung.«

Der Text ist in der Ausgabe „Uni-Sex“ im Januar 2014 erschienen.

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