Lost in Wandschrank

Lost in Wandschrank

Eine neue WG bedeutet nicht nur eine neue Umgebung, neue MitbewohnerInnen und neue Rituale. Eine neue WG bedeutet vor allem auch, das Chaos der VorgängerInnen zu beseitigen. Meine Mitbewohnerin Marie und ich haben die ersten Wochen unseres gemeinsamen Zusammenlebens so einige Überraschungen, nicht nur im hintersten Eck der Schränke, erlebt.

von Lotte Nachtmann

Dass VormieterInnen in einer WG gerne mal Waschmittel stehen lassen oder eine halb verkümmerte Zimmerpflanze in die Obhut der NachfolgerInnen übergeben, ist ja quasi eine Selbstverständlichkeit, die man in den einen Fällen dankbar als Einzugsgeschenk annimmt und in den anderen einfach belächelt. Auch Marie und ich fanden es anfangs noch lustig, brauchbare Dinge zu finden, wie Zipperbeutel, diverse Putzmittel oder eine Packung Zucker. Aber irgendwann nahm der Wust an Überbleibseln, den unsere Wohnung im Ostenviertel nur allmählich preisgab, etwas unübersichtliche Ausmaße an. Ich sage nur: vier angefangene Packungen Mehl und Müllbeutel an ungefähr sieben verschiedenen Orten in mehreren Zimmern.

Aber erst einmal kurz zu meiner neuen Wohnsituation. Wie ich Euch bereits in meiner letzten Kolumne aus dem Wohnheim angekündigt hatte, bin ich Ende September umgezogen. Mein neues Domizil ist eine (wenn nicht sogar zu) voll ausgestattete Zweier-WG in einem Mehrparteienhaus der Nachkriegszeit, gelegen im Ostenviertel. Meine Mitbewohnerin Marie kenne ich aus drei Jahren gemeinsamen Bachelor-Studiums, während dem wir alle möglichen Krisen und Highlights zusammen durchlebt haben. Nun teilen wir zwar nicht mehr denselben Studiengang, dafür aber eine Wohnung, die ich aus verschiedensten WG-Konstellationen auch schon seit drei Jahren kenne. Marie selbst wohnt allerdings auch erst ein Jahr im Regensburger Osten. Sie und ihre ehemalige Mitbewohnerin (und gemeinsame Freundin von uns beiden) sind die vergangenen zwei Semester, gerade während der stressigen Bachelorarbeitsphase, nur sehr sporadisch zum Sichten der zahlreichen Stauraumkapazitäten der drei-Zimmer-Wohnung gekommen. Die Vormieterin, also meine Vor-vor-Mieterin hatte nämlich eine in bestimmten Bereichen des häuslichen Lebens stark ausgeprägte Sammelvorliebe, Stichwort Plastiktüten, und kein großes Verständnis für sinnvolle Schranksortierung. Das Aufräumen hätte also nicht nur ein bisschen Zeit bedurft, sondern vor allem Nerven. Beides rar gestreute Phänomen in der Endphase eines Studiums.

Ich, als bekennende Putzfanatikerin mit Hang zur Ordnungspedanterie, konnte diese Situation jedoch nicht auf mir sitzen lassen. Glücklicherweise teilen Marie und ich diese Charaktereigenschaft, die wir beide manchmal lieber verfluchen würden, und sie gab mir ihr OK, mich den Sorgenkindern wie dem großen Einbauschrank in der Küche zu widmen, während sie noch eine Woche Heimaturlaub in München machte. Da ich vor Semesterbeginn eh nicht großartig viel zu tun hatte, machte ich mich noch einigermaßen optimistisch an die Sache ran, musste aber bald erkennen, dass Maries Warnung gerade vor den oberen Fächern besagten Wandschranks doch keine so maßlose Übertreibung war, wie ich gedacht hatte. Dabei hatte Marie bei ihrem Einzug vor einem Jahr bereits eine ausführliche Zusammenkipp-Entfernungs-und-Sortieraktion gestartet. Trotzdem fand ich noch so einige Schätzchen, von deren Existenz sie gar nichts wusste. Am Ende reichte die eine Woche nicht aus, um eine einigermaßen logische Ordnung in Küchen-, Wohnzimmer-, Flur- und Badschränke zu bringen, brachliegende Pflanztöpfe wiederzubeleben und natürlich gründlich auszumisten. Am Ende verzweifelten Marie und ich dann noch einige Tage zusammen an kleinen Schächtelchen nicht identifizierbaren Inhalts, einer ganzen Kommode voller Tüten jeder Art, Form und Farbe sowie anderen Inconnus, deren Aufzählung den Rahmen dieser Kolumne überschreiben würde. Eine Woche, je um die 30 Tupperdosen, Gewürzbehälter und leere Batterien sowie mehreren Quasi-Nervenzusammenbrüche später hatten wir es dann endlich geschafft und uns durch den ungewollten Nachlass meiner Vor-vor-Mieterin gewühlt.

Bedenkt also, liebe LeserInnen, wenn Ihr das nächste Mal umzieht, dass nicht nur Euer eigenen Chaos, sondern eventuell auch das mehrerer Generationen an VorgängerInnen auf Euch zukommen kann. Nächste Woche meldet sich dann Kati mit Neuigkeiten aus ihrer hoffentlich mit weniger Altlasten behafteten WG zurück.

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