Am seidenen Kabel

Am seidenen Kabel

Der typischen Studentenbude mangelt es an so ziemlich Allem. Und das, was nicht fehlt, funktioniert nicht oder nur schlecht. So sieht es zumindest in meinem bescheidenen Heim aus.

von Lena Alt

Pling. Das Licht ist aus. Und geht auch nicht mehr an. Ich stehe eingeseift unter der Dusche und sehe schwarz — sonst nichts. Glücklicherweise ist mein Badezimmer sehr kompakt gehalten (oder anders gesagt einfach winzig klein), sodass mein Tastsinn jede Menge Anhaltspunkte hat, um sich auch im Dunkeln zurecht zu finden. Ich dusche fertig und taste nach meinem Handtuch. Dann knipse ich — klug wie ich halt nun mal bin — wie wild auf dem Lichtschalter herum. Oh Wunder, es bleibt dunkel. Seufz. Wieder was kaputt.

Klar, eine kaputte Glühbirne ist jetzt kein unlösbares Problem. Denke ich zumindest recht optimistisch, während ich mich anziehe und den Rest der Wohnung durch Vorhangöffnen erleuchte. Dann krabble ich wieder in mein Miniaturbadezimmer, mit einer Schreibtischlampe bewaffnet, die ich in die nicht besonders vertrauenerweckende Steckdose direkt über dem Waschbecken einstöpsle. Ich hole mir einen Stuhl, der die Grenzen des engen Zimmers beinahe endgültig sprengt. Dann steige ich hinauf, und versuche die Logik hinter dem Lampenschirm zu erkunden. Das grenzt beinahe an eine Doktorarbeit. Zu allem Überfluss hängt auch noch eines der vielen unprofessionell befestigten Kabel lose herum. Leicht beschämt darüber, dass ich nicht einmal eine Glühbirne wechseln kann, hole ich meinen Freund zu Hilfe. Er besieht sich die Lampe, schüttelt den Kopf, flucht ein bisschen und ein wenig Geklirre später ist der Lampenschirm runter. Glühbirne raus, Glühbirne rein, kein Hexenwerk. Soweit so gut. Jetzt muss der Lampenschirm wieder drauf. Das ist schon ein Hexenwerk. Aber mit ein bisschen Zauberei kriegen wir auch das hin. Allerdings scheint jetzt die gesamte Lampe nur noch an einem einzigen Kabel zu hängen. Aber wird schon halten.

Das ist eine Devise, an die wir uns in unserer Wohnung immer wieder halten und gehalten haben. Unsere Wände sind nicht besonders bohrerfreundlich, weshalb wir kaum Regale an den Wänden haben. Unter den beiden, die wir haben, sollte man sich besser nicht zu lange aufhalten, wenn man Wert auf den eigenen Kopf legt. Stattdessen haben wir aus offenen Kisten Türme gebaut, die nirgends befestigt sind. In den Wänden sieht man überall Löcher von unseren Bohrversuchen, notdürftig mit Zahnpasta gestopft. Und unser Jahre überdauernder Wasserschaden, dem Mieter über uns zu verdanken, tut sein übriges zum Image einer absoluten Bruchbude. Aber wie immer, wir machen uns das Beste draus, auch diesmal: Derjenige von uns, der im Bad ist, wenn die Lampe runterfällt, bekommt vom andern ein großes Eis und einen mitleidigen Blick als Entschädigung. Ein Leben am seidenen Kabel, auch irgendwie aufregend.

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