Bitte leiser zwitschern

Bitte leiser zwitschern

Alles vergeht, nur der Nachbar bleibt? Nur wahr. Wobei es so mancher Nachbar ganz schön darauf ankommen lässt…

Von Kati Auerswald

Es ist ein ruhiger Sonntagnachmittag im März. Draußen singen die Vögel und in unserer WG hört man seliges Tee- und Kaffeeschlürfen. Ich sitze mit meinen beiden Mitbewohnerinnen Hannah und Karine (unserer neuen Mitbewohnerin) in unserem Wohnzimmer und genieße die Ruhe, die uns jetzt nach der Klausurenphase besonders guttut. Da hören wir es. Zuerst wackelt unser Tisch – mit ihm die Tassen, die darauf stehen. In regelmäßigen Abständen, wie bei einem Erdbeben. Dann die Frauenstimme. Oder eher Frauenschreie, die klingen, als würde im Stockwerk unter uns ein grausamer Mord vonstattengehen. Ich sehe von Hannah zu Karine. Eindringlich starren wir uns an – und scheinen alle dasselbe zu denken: Nicht. Schon. Wieder.

Ich taste nach meinem Handy, um verstohlen einen Blick auf Datum und Uhrzeit zu erhaschen. Ja, Sonntag war schon richtig, kurz nach 15 Uhr. Natürlich kennen wir unsere Nachbarn, denen wir die ungezügelten Geräusche zuordnen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir unfreiwillig Teilnahme am turbulenten Liebesleben unserer Nachbarn haben. Doch wir müssen uns schon eingestehen, dass Sonntagnachmittag eine ungewöhnliche Uhrzeit dafür ist – besonders, wenn das ganze Haus still und die Wände hellhörig sind.

Nachdem uns diese »Sache« anfänglich noch belustigt hat, begann sie uns nach einigen Wochen zu nerven. Die ungehaltenen, kreischenden Geräusche waren leider auch nicht mit Ohropax zu ignorieren. Sie hinderten uns am Einschlafen, brachten uns mitten in der Nacht um den Schlaf, oder wir wachten mit ihnen in den frühen Morgenstunden auf – quasi als Wecker-Ersatz. Oft mussten wir an andere im Haus lebende Parteien denken, wie die nette Kleinfamilie mit ihren süßen, unschuldigen Kindern. Die armen Kinder…

Wie also das Problem der Ruhestörung lösen? Einfach beim Nachbarn klingeln und um mehr Enthaltung oder Zügelung bitten? Vielleicht doch nicht. Meine Idee, mit einer Flasche Sekt und einer Packung Kondomen zu klingeln und höflich zu fragen, ob wir mitmachen dürfen, fanden meine Mitbewohnerinnen auch nicht so toll. Aber wofür hat man denn sonst gute Nachbarn? Hannah war eher dafür, den Namen unseres WLAN-Anschlusses einfach in »BitteLeiserZwitschern« umzuändern und hoffen, sie würden sich angesprochen fühlen. Karines Vorschlag, in regelmäßigen Abständen eine Schale Pomelo-Obst oder einen Kuchen mit Macca-Pulver vor Nachbars Tür zu stellen, war ja nett gemeint, wäre jedoch auf Dauer unnötig ins Geld gegangen – beides hätte sich laut Ernährungswissenschaftler stimulierend auf Hormonhaushalt und Hormonspiegel ausgewirkt. Die süßen Nudeln in Form von Geschlechtsteilen, die es bei NanuNana gibt, wären sicher auch gut angekommen…

Nun gut, wir mussten eine schnelle, einfache, unkomplizierte, und bitte möglichst nicht peinliche Lösung für das »Problem« finden. Nicht nur in unserem Interesse, auch in dem unserer anderen Nachbarn (es denke doch nur Einer an die Kinder!). Nach langem Hin und Her klebte Hannah schließlich einen Zettel an Nachbars Tür, mit der Aufschrift »Bitte leiser vögeln«. Wieso sind wir darauf nicht gleich darauf gekommen? Einfach und wirkungsvoll. Denn seitdem sind wir nicht mehr – zumindest nicht in diesem Ausmaß – unfreiwillige Opfer der Liebeslaute unserer lieben Nachbarn geworden.

Seid gespannt, wenn euch nächste Woche wieder Lotte das Neueste aus ihrem Wohnheim berichtet.

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