»Weil die Leute mich hier brauchen!« – DJ Haiko über Salsa, Soße und die Windstille auf Kuba || Leben, um zu tanzen! – Teil III

»Weil die Leute mich hier brauchen!« – DJ Haiko über Salsa, Soße und die Windstille auf Kuba || Leben, um zu tanzen! – Teil III

DJ Haiko (Alter: immer 29) ist Tanzlehrer am Hochschulsport sowie in verschiedenen Tanzschulen. Er tanzt und unterrichtet Salsa und verwandte Tänze wie Bachata, Kizomba und Merengue. Außerdem veranstaltet er Salsa-, Reggaeton- und Sensual-Partys im Carlitos, Ritmo und Scala und legt dort als DJ auf. Im Interview mit unserer Redakteurin Anika Schiller erklärt er, was Salsa mit Soße zu tun hat, warum es so wichtig ist, auf möglichst viele Partys zu gehen und wie seine Karriere als Regensburgs Salsa-Koordinator mit der Windstille auf Kuba begann.

von Anika Schiller

In unserer Serie »Leben, um zu tanzen«, lassen wir leidenschaftliche Tänzer oder Tänzerinnen zu Wort kommen. Vielleicht fühlt sich ja der eine oder andere Leser inspiriert und will ab sofort selbst das Tanzbein schwingen. Für den Fall haben wir euch auch in diesem letzten Teil der Reihe am Ende des Interviews praktische Links zusammengestellt.

Lieber Haiko, vielen Dank für das Interview. Du bist in Regensburg eine kleine Berühmtheit unter Fans von Salsa und lateinamerikanischer Musik. Wie bist du zum Tanzen und speziell zu den lateinamerikanischen Tänzen gekommen?

Angefangen habe ich als Teenie. Meiner Mutter war es immer sehr kalt im Winter, deshalb sind wir oft in die Karibik und nach Kuba geflogen. Da war ich die meiste Zeit surfen. Und wenn es keinen Wind gab, hatte ich nichts zu tun – für Cuba Libre war ich ja noch zu jung. Die Kubaner, die dort Surfboards verliehen, hatten auch nichts zu tun und fingen an zu tanzen. Auf Kuba läuft eigentlich immer Musik. Und dann habe ich halt mit den Jungs und Mädels mitgetanzt.

Und in Deutschland?

Ich komme aus dem Kölner Eck, da gab es damals schon Salsa. Zum Biochemie-Studium bin ich als NC-Flüchtling erst nach Wien, wo ich auch schon gelegentlich Kurse übernommen habe, wenn der verrückte, halb blinde Peruaner, bei dem ich damals getanzt habe, krank war. Als ich dann nach Regensburg gewechselt habe, gab es nichts mit Salsa hier. Also habe ich mit einem kostenlosen Kurs im Gesslerheim begonnen. Dann habe ich mir eine Kneipe gesucht für die Partys. Seit 1993 laufen die Salsa-Partys mittlerweile schon ohne Unterbrechung, erst in diversen Kneipen und seit Jahren jeden Mittwoch im Scala. Die Hochschulsport-Kurse laufen seit 1995, jeden Montag um 20 Uhr.

Du spielst auf den Partys neben Salsa auch oft Bachata, Kizomba, Merengue oder Reggaeton. Was ist dein persönlicher Lieblingstanz?

Salsa ist immer noch die Nummer eins. Wegen seiner Variationsbreite und weil du alles machen kannst. Du kannst weit tanzen, oder eng, mit Power oder eher ruhig und sensual. Und bei Salsa steht wirklich der Tanz im Vordergrund, du kannst mit jedem tanzen und Spaß haben. Bei Kizomba und Bachata – zwei sehr sinnlichen Tänzen – kommt es auch viel auf die richtige Chemie mit dem Tanzpartner an. Salsa ist das, was alles zusammenhält. Egal, ob jemand am liebsten zur Sensual Night ins Carlitos kommt, oder zur Reggaeton Party, ob mittwochs ins Scala oder sonntags ins Picasso – Salsa können sie alle.

Was genau ist Salsa überhaupt? Wie  würdest du Salsa beschreiben?

Salsa bedeutet Soße. Eine Soße, die man nicht essen kann, aber in dieser Soße ist das beste aller Latin, Jazz, Klassik und afrikanischen Rhythmen.

Wie sieht es mit der Salsa-Szene in Regensburg heute aus? Hast du da eine Art Monopol?

Ich war der erste, aber ein Monopol habe ich nicht. Es gibt noch andere, Armin [von Terra Salsa, Anm. der Redaktion] zum Beispiel. Früher bin ich ein paar Mal auf die Schnauze gefallen beim Zusammenarbeiten und habe mein eigenes Ding gemacht. Jetzt versuche ich, alles zusammenzuhalten, ich sehe mich als Salsa-Koordinator in Regensburg. Ich schaue zum Beispiel, dass nicht zwei Partys gleichzeitig stattfinden, weil man sich sonst nur gegenseitig die Leute wegschnappt.

Lebst du komplett von deinem Engagement in diesem Bereich?

Ja, es würde gar nicht anders gehen. Das Bürozeug wird wie ein Krebsgeschwür immer mehr. So Koordinationsgeschichten, diskutieren, diplomatisch sein zum einen, zum anderen muss ich mich mit Sachen rumschlagen wie Dokumentationspflichten, Datenschutzgrundverordnung, Sicherheitsbestimmungen für die Website und das Uni Salsa Camp. Mit den ganzen neuen Bestimmungen, da bekommst du plötzlich einen Wälzer von 200 Seiten vor die Nase geknallt und es heißt »durcharbeiten und einhalten bitte!« Dabei will ich eigentlich nur Party machen und tanzen! Das wäre mal toll, wenn jemand den ganzen Papierkram machen würde …

Könntest du es dir leisten, jemanden anzustellen?

Nein, keine Chance. Wenn ich Geld verdienen wollte, wäre ich in der Biochemie geblieben. Ich hatte damals sogar schon mit meiner Doktorarbeit in der AIDS-Forschung begonnen. Aber irgendwann liefen die Fördergelder aus und das Thema war ohnehin zum Scheitern verurteilt. Und ohne die halbe Stelle, die ich am Anfang hatte, war meine Motivation immer geringer, ins Labor zu kommen. Die Salsa-Partys liefen damals noch nebenbei, eine Liebhaberei, aber das kannst du nicht halb machen. Geld ist nicht alles und sicher ist Biochemie mittlerweile auch nicht mehr. Ich habe mal überlegt, einen Doktor phil über Salsa zu machen. Aber was will ich mit einem Doktor in Salsa? Dann kann ich mich Doktor Salsa nennen, toll. [lacht]

Du bist ja immer viel unterwegs, fast jeden Abend der Woche. Ist das nicht anstrengend? Wie sieht deine Familie das?

Meine Familie hier in Regensburg besteht eigentlich nur aus meiner vierjährigen Tochter. Die ist die Hälfte der Zeit bei mir und die Hälfte bei der Mama. Vor dem Kindergarten war es noch ganz praktisch, weil ich tagsüber meistens daheim war und quasi der Krippen-Ersatz. Jetzt ist es ein bisschen schwieriger, weil ich abends jemanden finden müsste, der auf sie aufpasst. Aber das will sie nicht, sie will nur bei Papa oder bei Mama sein, nicht bei jemand anderem. Deshalb ist sie jetzt auch öfter dabei montags an der Uni im Salsa-Unterricht. Und den Rest, das bekommen wir bestimmt hin! Und anstrengend, nein, ich bin eh ein Nachtmensch.

Auf manchen Partys spielst du auch hauptsächlich Reggaeton. Wie würdest du Reggaeton beschreiben?

Eine Fusion aus Black und Salsa. Also Latino-Rhythmen und Gesang auf Spanisch, aber auch Black Music.

Die Texte des Reggaeton klingen manchmal mehr nach sexuellen Gewaltfantasien oder Softporno, als nach fröhlichem Sommerhit. Im Lied »Despacito«, das auch in Deutschland Nummer-1-Hit war, heißt es zum Beispiel übersetzt »Ganz gemächlich will ich an deinem Hals atmen. (…) Lass mich zu deinen gefährlichen Stellen vordringen, bis du anfängst zu schreien und deinen Nachnamen vergisst«. Wie stehst du zu solchen Texten und wie gehst du damit um?

Die Texte verstehen 99% der Leute sowieso nicht. Bei Kizomba sind sie sogar noch viel schlimmer. Aber die Texte sind nicht so wichtig, die verstehen eh nur die Latinos und die sind abgehärtet. Ich finde, die Texte sollte man nicht überbewerten, die wenigsten Leute auf den Partys kümmern sich um die Texte. Die Leute sind da und wollen tanzen. Es interessiert sie mehr, wer sonst noch da ist und wann zum Beispiel das nächste Salsa-Lied kommt. Kennst du die Gruppe »Los Dos y Compañeros«? Die spielen bekannte Salsa-Lieder mit Texten auf Bayerisch. Die habe ich mal reingetan, das ist niemandem aufgefallen, nicht mal den Latinos.

Was ist deiner Meinung nach am wichtigsten, wenn man Salsa, Bachata etc. lernen will?

Dass die Leute auf Partys gehen. Pro Tanzstunde am besten zehn Stunden auf Partys, damit die Figuren nicht nur im Kurzzeitgedächtnis bleiben. Denn das Tanzen macht erst richtig Spaß, wenn man es automatisch kann. Wie wenn man auf der Treppe stolpert und sich gerade noch abfängt, aber hinterher gar nicht weiß, was der Körper genau gemacht hat. Wenn ich Salsa tanze und mich fragt hinterher jemand »Haiko, wie geht die Figur, die du gerade getanzt hast?«, weiß ich meist gar nicht, was ich gemacht habe. Das ist das Ziel.

Hast du je darüber nachgedacht, auszuwandern? Nach Südamerika oder in die Karibik zum Beispiel, wo die Salsa-Szene viel größer ist?

Die Karibik wäre vielleicht eine Option. Aber erst, wenn sich hier kein Mensch mehr für Salsa interessiert und wenn die Kleine erwachsen ist. Das perfekte Leben für mich wäre, tagsüber zu surfen und abends Salsa-Unterricht zu geben. Aber ich bin immer noch in Regensburg, weil mir die Salsa-Szene hier am Herzen liegt und weil die Leute mich hier brauchen! Die Salsa-Szene hier ist eine der besten. Vielleicht nicht gemessen an den Tänzern – da gibt es zwar auch einige sehr gute, wie anderswo auch –, aber gemessen an den guten Salsa-Partys pro Einwohner und den großartigen Leuten, die dahin gehen.



SALSA, BACHATA, KIZOMBA, MERENGUE & RAGGAETON TANZEN IN REGENSBURG:

Kurse

Tanzgelegenheiten

  • Scala: mittwochs
  • Carlitos: freitags oder samstags, Eintritt frei
  • Picasso: sonntags
  • Ritmo: freitags oder samstags

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert