Heimat, süße Heimat!

Heimat, süße Heimat!

Die Heimat ist wohl eine der außergewöhnlichsten Kneipen Regensburgs – nun musste sie raus aus ihren Räumlichkeiten an der Donau. Die Lautschrift hat sie kurz davor noch einmal besucht.

heimat

Tobi Meier läuft mit einem Tablett durch seine Kneipe und verschenkt Schnaps. Er beginnt in der linken Ecke. Sein Tablett wird leer, er dreht um. Geht ruhig hinter die Bar, füllt auf. Dann kehrt er zurück, dorthin, wo er gerade aufgehört hat, und verteilt vergnügt Stamperl, eines nach dem anderen. Meier, 39 Jahre alt, bärtig, trägt einfache, dunkle Kleidung und ist einer der vier Besitzer der Heimat. Dort wird gerade die zweite Halbzeit des Champions-League-Spiels FC Bayern gegen Valencia gezeigt. Und trotzdem ist fast nichts los, nur noch HeimatFans sind hier. Die vom FC Bayern sind vermutlich abgehauen, weil in der ersten Halbzeit die Übertragung nicht funktioniert hat. Meier lacht selbstironisch, als er erzählt, dass der Bewohner über der Heimat schuld ist. Der hatte am Vortag Kabel Deutschland zur Reperatur da – und hat danach selber rumgebastelt .

Vom Bordell zur Kneipe

Die Heimat ist eine Kneipe an der Donau, nahe der Steinernen Brücke in der Regensburger Altstadt. Heute finden dort Konzerte von Independent-Musikern statt. Davor war hier eine Bar, die hieß G-Punkt, sagen die Besitzer der Heimat. Vor ihr gab es viele andere: Fast jährlich wechselte dieses Haus am Fluss seine Besitzer. In den 70er Jahren war es noch ein Bordell. Und alle hier gingen pleite. »Wir zögerten hierher zu kommen, wir hielten das für einen verhexten Ort«, sagt Andy Zorn, Gründer und Besitzer der Heimat. Und doch kamen sie Anfang 2008 in das Haus an der Steinernen Brücke. Auf ihr Logo packten sie die Brücke und den Dom. Und sie schrieben »Heimat« darüber. An die Wand eines Hauses, das für niemanden lange eine Heimat blieb.

Bettwäsche aus grau-weißen Rauten

Zorn ist 37 Jahre alt und einer der Geschäftsführer. Er trägt ein Käppie, Springerstiefel, schwarze runde Ohrringe, einen Bart, und – egal ob drinnen oder draußen – einen kurzen schwarzen Mantel, der ein bisschen gräulich schimmert. Das Glänzen wirkt sonderbar, denn Zorn blickt sehr ernst, fast streng. Theoretisch ist er noch Student, tatsächlich aber arbeitet er als DJ und DJ-Lehrer. In Görlitz und Günzburg ist er aufgewachsen, dann nach Regensburg gekommen. Hier fühlt er sich wohl. Regensburg, das ist sein Kiez. In seiner Wohnung – direkt über der Heimat – stehen Stockbetten, da übernachten die Bands. »Mit Bettwäsche aus grau-weißen Rauten«, erklärt Jürgen Schulte von der Indie-Rock-Gruppe Hurricane Dean aus Hamburg. Arschgeil findet er das. Hurricane Dean bezeichnen ihren Stil als »Bright Wave«, die Orsons machen Hip-Hop, Wilhelm Tell me irgendwas zwischen Indie Wave, Electro und Pop – die Bands, die in der Heimat spielen, sind in ihrer Szene vorn dabei. Das macht die Heimat aus. »Es ist genau die Art Musik, die ich höre, und ich finde es immer wieder krass, dass Livemusik billiger als Kino ist«, sagt Anna. Sie studiert Pädagogik und kommt oft hierher, auch alleine, denn in die Heimat geht man wegen der Musik.

Die Besucher haben einen Halbkreis gebildet. Nicken mit dem Kopf nach vorne. Manche von ihnen halten sich an ihren Bierflaschen fest, andere an den Gürtelschlaufen ihrer Jeans oder den Trägern ihrer Baumwolltaschen. Blaues Licht strahlt von oben in die Mitte des Raumes, dort spielt die Band . In der Heimat gibt es keine Bühne, alle sind auf einer Ebene, alle sind in der ersten Reihe.

Die heimatlose Heimat

Gute Livekonzerte sind in Regensburg rar. Vergleichbar wäre vielleicht die Mälze, die wird von der Stadt subventioniert, allein 2012 mit 389 000 Euro. Die Heimat schafft es ohne Subventionen. Zorn macht bei den Konzerten den Ton, Matt Sledziecki, Zorns Mitgeschäftsführer, das Licht. Oft nehmen sie dafür kein Geld. Wieso denn auch, sie würden ja sowieso herkommen. Manchmal spielen auch die DJs ohne Gage, weil sie Freunde sind. Die Konzerte sind sonntags und montags – Tage, an denen die Bands ohnehin kaum in größeren Städten spielen würden. Außerdem überträgt die Heimat Fußballspiele. »Wir sind froh, wenn wir auf Null rauskommen«, sagt Meier.

Es scheinen die Kontakte zu sein, das Zuhause-Gefühl, was die Heimat ausmacht. Sicher auch der Idealismus der Besitzer. Ihr Geld holen sie sich in anderen Berufen. Einer ist Lehrer, einer legt in anderen größeren Clubs auf. Es geht hier nicht um Geld, sondern um die Musik. Meier und Zorn sagen, dass sie keine »Weichspülmusik« hier spielen.

Zorn sitzt auf einer Chesterfield-Couch in der Ecke, über ihm verläuft eine Treppe aus Industriemetall und führt in die zweite Etage der Heimat – auf eine Art Balkon mit Tischen und Bänken. Dieser Bereich ist mit Metallstangen abgetrennt, hier ist es ruhiger. Das Licht ist meistens rot oder blau, man kann nach unten schauen. Von der Decke hängen an langen Kabeln Kugelleuchten aus Glas herab, dazwischen hängen umgedrehte Ikea-Stehleuchten aus Papier. Darunter der Holzboden, Tische, die Bar. Die Heimat sieht erwachsen aus, unkompliziert. Es gibt keine Dekoration, auf dem Tisch liegt eine Salzstangenverpackung, die Möbel sind unauffällig, gehören nicht alle zusammen.

Die meisten Besucher sind zwischen zwanzig und vierzig, man sieht viele Studenten mit Jeans und Sweatshirt, auffällig viele haben Mützen oder Käppies auf. Die Besitzer sind stolz darauf, dass Leute sowohl aus schicken Clubs wie dem Pony, als auch aus heruntergekommen Kneipen wie dem Sax in die Heimat kommen. Und doch hat die Heimat ein Stammpublikum. Eines, das sich jetzt umorientieren muss.

Denn im Januar musste die Heimat hier raus. Verantwortlich dafür war unter anderem die Universität Regensburg. Die hatte bisher die Räume der Alten Filmbühne in der Altstadt verpachtet. Nun kündigte sie diesen Vertrag, wegen Lärmbelästigung. Die Alte Filmbühne weicht aus – in die Räume der Heimat. Deren ursprüngliche Pächter sind die Besitzer der Filmbühne, die der Heimat die Räume nur unterverpachtet hatten. Die Eigentümer der Heimat wollen einen anderen Ort finden und weitermachen. Vorerst aber ergeht es ihnen wie all ihren Vorgängern hier. Die Heimat ist heimatlos.

Anmerkung: Mittlerweile hat die Heimat eine neue Heimat gefunden. Ab Februar kommt sie in den Räumen der Szene am Römling unter.

Text: Anne Kratzer

Fotos: Pia Weishäupl

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